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Kriegsgang mit Hindernissen

Udo Bauer1. August 2002

Die US-Regierung rasselt mit dem Säbel und die Mehrheit der US-Bürger befürworten einen Krieg gegen Irak. Dennoch gibt es Hinweise darauf, dass eine Groß-Offensive am Golf noch lange auf sich warten läßt.

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Das rhetorische Fundament für einen Krieg an Euphrat und Tigris ist gelegt: US-Präsident Bush fordert öffentlich und unter lautem Applaus einen Regimewechsel in Bagdad, sein Verteidigungsminister behauptet dreist, eine Neuauflage des Waffenkontrollsystems "würde jetzt nichts mehr bringen." Jede Woche dringt ein neuer Kriegsplan an die "New York Times"; der jüngste heißt angeblich "Inside-Out", also schnell rein mit Bomben, Raketen und ein paar Spezialtruppen, Saddam töten oder isolieren und der Rest kollabiert mehr oder weniger von selbst.

Gemach, Gemach, so schnell schießen die Amis nicht! Auch wenn es manch einem in Politik und Journaille nicht schnell genug gehen kann.

Parlament will mitreden

Fangen wir auf dem Kapitolshügel in Washington an. Der US-Senat hat in dieser Woche mit Expertenanhörungen zum Thema Irak begonnen und kritische Fragen gestellt zu den Bedrohungen, die von Saddam Hussein
tatsächlich ausgehen, und den Chancen und Risiken eines Krieges. Auch wenn die Stimmung im Kongress eher für als gegen einen Militäreinsatz ist, so sind die selbstbewussten Politiker dort dennoch fest
entschlossen, die Kriegserklärung nicht alleine dem Präsidenten zu überlassen.

Auch gibt es dort Politiker, die das Potential des derzeitige Kontrollsystem für noch nicht ausgeschöpft halten. Und es
gibt solche, die die Risiken, die ein US-Krieg gegen Irak für die Stabilität in der gesamten Region birgt, abwägen gegen das, was man sich von einer Welt ohne Saddam verspricht.

Ehrgeiziges Kriegsziel

Man kann den Amerikanern unterstellen, dass sie ihren Finger schneller am Abzug haben als die Europäer. Was man ihnen spästestens seit dem Afghanistan-Krieg nicht mehr vorwerfen kann, ist, dass sie sich auf ein
Kriegsabenteuer einlassen, ohne sicher zu sein, dass sie auch gewinnen.

In vielerlei Hinsicht ist das Kriegsziel jetzt ehrgeiziger als vor elf Jahren, als man die Iraker "lediglich" aus Kuweit herausjagen musste. Will man Saddam Hussein von Thron stoßen, muss man Bagdad einnehmen.

Will man die Depots und Labors für Massenvernichtungswaffen zerstören, muss man sie ersteinmal finden. Und die sind nicht nur unterirdisch, sondern auch unter schon bestehende Gebaeude betoniert worden.

Keine Beweise

Tatsache ist, dass trotz jahrelanger Spionagearbeit die US-Behoerden keine Ahnung haben, wo sich diese genau befinden. Bodentruppen in großer Zahl sind also in jedem Fall nötig, und diese Truppen werden
aller Wahrscheinlichkeit nach die ersten sein, die die tödliche Wirkung dieser chemischen und biologischen Waffen zu spüren bekommen. Viele tote GIs reduzieren traditionell die Kriegsbegeisterung in den USA, die im Moment Umfragen zufolge bei etwa 60 Prozent liegt.

Um einen möglicherweise langen, verlustreichen und teuren Krieg durchzuhalten, muss Präsident Bush noch viel mehr Überzeugungsarbeit beim Volk leisten. Es gibt durchaus realistische Vermutungen über das gefährliche Waffenprogramm des Irak und es gibt Hinweise auf Verstrickungen Bagdads mit Al-Kaida, aber es gibt bisher keine Beweise, keine Fakten.

Kaum Alliierte

Und noch eins: Die Amerikaner können als Großmacht politisch vieles unilateral, im Alleingang erreichen. Einen Krieg von der Größenordnung des Golfkriegs bekommen sie nicht ohne Unterstützung von zumindest
einigen Nachbarn Iraks hin. Die Schlüssel zu einem militärischen Erfolg sind die Flughäfen in der Region. Im Golfkrieg nutzen die Amerikaner insgesamt 23, davon lagen elf in Saudi-Arabien. Nun will das Regime in Riad bei einem erneuten Waffengang gegen Irak nicht helfen, ein weiteres ernsthaftes Problem fuer die Amerikaner. Selbst der
Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses des US-Senats, Joseph Biden, ein ausgewiesener Kriegsbefürworter, schliesst mittlerweile aus, dass die USA in diesem Jahr noch einen Krieg beginnen koennen. Und bis dahin
kann sich noch vieles tun.