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Kongo Rebellen

10. März 2009

Seit 15 Jahren führt die Hutu-Miliz, die FDLR, im Ostkongo Krieg. Viele Kämpfer sind kriegsmüde. Sie laufen davon und riskieren dabei ihr Leben. Doch ihr Chef steuert aus Deutschland weiter den Kampf.

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Kongolesischer Soldat mit Flüchtlingskind (Foto: dpa)
Spuren des Krieges - der Konflikt ist überall präsentBild: picture-alliance/ dpa
Bahati Nsinganumwe mit seiner Familie
Kehrte den Rebellen den Rücken - Bahati Nsinganumwe mit seiner Familie im UN-TransitlagerBild: Schlindwein

Erschöpft hockt Bahati Nsinganumwe im Zeltlager der UN in Goma, im Ostkongo. Das T-Shirt hängt ihm wie Fetzen vom Leib. Nur die Camouflage-Mütze verrät noch: Der 34-Jährige war ein Kämpfer. Er diente in Kongos grausamster Rebellenmiliz – der FDLR. Bis am Abend zuvor. Dann legte er seine Uniform ab, übergab seine Waffe der UN. Er sei müde, sagt er. "Ich habe im Radio gehört, dass die UNO sich um mich kümmern wird. Das hat mich sehr glücklich gemacht. Meine Kammeraden im Dschungel wollen auch aufgeben. Sie warten, sie sind müde. Doch wenn sie erwischt werden, dann werden sie getötet."

Unfreiwilliger Kampf

Viele Waffen sind illegal (Foto: AP)
Die Kalschnikow als Arbeitsgerät - Töten gehört für die Rebellen zum AlltagBild: AP

15 Jahre hat der 34-Jährige im kongolesischen Dschungel verbracht. Nsinganumwe ist wie die meisten FDLR-Rebellen Ruander, er ist Hutu. Wie viele ist auch er nach dem Genozid an der Tutsi-Minderheit 1994 geflohen – aus Furcht vor der Rache der Tutsi-Befreiungsarmee, die von Uganda aus einmarschiert war. In den überfüllten Flüchtlingslagern im Ostkongo drückte ihm ein Offizier ein Gewehr in die Hand. Seitdem diente Nsinganumwe in der Miliz. Die Rebellen erlösen Geld aus dem Schmuggel mit Gold, Coltan und Diamanten. "Wir arbeiten für den Kommandeur: Wir rauben, wir stehlen, wir töten für ihn. Doch wenn wir gehen, dann verliert der Kommandant sein Einkommen. Deswegen erlaubt er uns nicht, nach Hause zu gehen." Nsinganumwe zeigt keine Reue, er habe ja nur seinen Job getan. Zuletzt schob er Dienst an einer der Straßensperren: Steuern eintreiben. Die Kalaschnikow war sein Arbeitsgerät.

Führung aus Deutschland

Doch damit ist es nun vorbei. Nsinganumwe schaukelt sein Baby auf dem Arm. Seine 24-jährige Frau sitzt neben ihm. Das Baby ist fiebrig. Deswegen hat der junge Vater beschlossen, nach Ruanda zu gehen. Wie Nsinganumwe so haben sich in den vergangenen Wochen 350 Rebellen ergeben. Der Grund: Die kongolesische und ruandische Armee starteten eine Militäroffensive. Viele Kämpfer mussten sich fragen: Im Dschungel sterben oder ein Leben in Frieden? Das Entwaffnungsprogramm der Weltbank ermöglicht den müden Kriegern eine Exit-Option, erklärt der Entwaffnungs-Experte Harald Hinkel. "Wir haben es hier nicht mit tausenden fanatischen Kämpfern zu tun, die für ihre Sache sterben wollen. Wir haben es mit jungen Männern zu tun, die überleben wollen und ein normales Leben führen wollen. Das Schlüsselproblem sind die Extremisten der Führung im Ausland, in Europa, auch in Deutschland. Das sind zwar nur ein paar Dutzend, aber die sind uneinsichtig und bereit, tausende ihrer Leute für ihre Sache zu opfern."

Bilder aus dem Kongo
Zukunft ungewiss - wohin nach dem Kampf?Bild: DW / Schlindwein

Einer dieser Extremisten ist der Präsident der FDLR: Ignace Murwanashyaka. Er lebt unbehelligt in Deutschland. Vor vier Jahren hat er eine Vereinbarung unterschrieben, dass die FDLR ihr Waffen abgibt. Doch seitdem ist nichts geschehen. Viele in FDLR-Führung befürchten, dass sie in Ruanda wegen Völkermordes verurteilt werden. So riskieren Kämpfer wie Nsinganumwe noch immer ihr Leben, wenn sie desertieren. Er beteuert, dass er nicht am Genozid beteiligt war. Er habe nichts zu befürchten.

Ein Leben ohne Waffe

Ehemalige FDLR-Rebellen (Foto: Simone Schlindwein)
Ungewohnter Alltag - Ex-Rebellen im SchulungszentrumBild: DW / Schlindwein

Ein Bus bringt den Haufen müder Krieger über die Grenze nach Ruanda. Es herrscht angespanntes Schweigen. Die Ex-Kämpfer hadern mit der Unsicherheit. Doch immerhin: Nsinganumwe trägt ein frisches Hemd und Hosen. Er sieht aus wie ausgewechselt. "Das ist mein Heimatland Ruanda. Ich bin sehr glücklich!" Der Bus hält vor einer Reihe Wellblechhäuser – dem Schulungszentrum der Entwaffnungs- und Reintegrations- Kommission. Hier wird den Ex-Rebellen beigebracht, wie ein normales Leben funktioniert. Wie bekommt man einen Kredit bei einer Bank? Wie viel kostet eine Krankenversicherung? Wie werden in Ruanda Wahlen durchgeführt? Im Geschichtsunterricht fragt der Lehrer, was das Wort Genozid bedeutet.

Was eine Versicherung oder Bank ist, das scheint für ihn schwer vorstellbar. Vor Nsinganumwe liegt noch ein langer Weg, bis er sich zurechtfinden wird. Die Weltbank zahlt den Ex-Rebellen ein Startgeld von 100 Dollar. Davon will Nsinganumwe ein Stück Land, Ziegen und Hühner kaufen. Die größte Herausforderung ist eine andere, gibt er zu. Es ist der erste Tag seit 15 Jahren, an dem er keine Kalaschnikow mehr trägt. Er wirkt unsicher. Er weiß nicht, woran er sich festhalten soll. Ein Leben in Frieden, das könne er sich nicht vorstellen.

Simone Schlindwein

Redaktion: Katrin Ogunsade