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Politik

Kriegsreporter - die große Stille

Naomi Conrad
3. Mai 2018

Ob Syrien, Jemen oder Libyen, in den Kriegen unserer Zeit wird gemordet, gelitten und gestorben - aber die Beobachter internationaler Medien berichten aus weiter Entfernung. Wer füllt die weißen Flecken unserer Zeit?

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Syrien Kämpfer in Aleppo
Bild: picture-alliance/ZUMA Press/Imageslive/O. Jumaa

Seine Arbeit ist gefährlich, das weiß Husam, der Syrer, der sich auf Facebook einen "syrischen Aktivisten gegen das brutale Assad-Regime und ISIS" nennt und aus der Provinz Idlib Berichte auf Facebook postet und bei Youtube hochlädt: 2015 wurde er von Milizen der Al-Nusra-Front gekidnappt, erzählt er. 25 Tage hielten ihn die Islamisten, ein syrischer Ableger des Terrornetzwerks Al-Kaida, gefangen. Warum? Weil sie ihn verdächtigten, mit den britischen Geheimdiensten zu kommunizieren, schreibt Husam über WhatsApp.

Dann ließen sie ihn gehen - ohne große Erklärung. Willkür ist Teil des Krieges. Andere haben weniger Glück: Wer aus Syrien berichtet, steht im Fadenkreuz der verschiedenen Akteure, die seit sieben Jahren den Krieg immer weiter schüren. Internationale Berichterstatter wurden entführt und ermordet. Nur wenige sind freigekommen. Die beiden Amerikaner James Foley und Steven Sotloff und der Japaner Kenji Goto - drei ausländische Journalisten, die in Syrien erst verschleppt und dann ermordet wurden. Alle drei wurden vor laufender Kamera enthauptet.

Für den selbsternannten Islamischen Staat sind Hinrichtungen eine grausame Form der Propaganda, für andere sind Entführungen ein lukratives Geschäft, das Lösegeld verspricht. Keine der Kriegsparteien hat Interesse an unabhängigen Berichterstattern, die aufdecken und einordnen, Lügen und Propaganda hinterfragen. Auch syrische Journalisten sterben, doch ihr Tod macht weniger oft internationale Schlagzeilen. Allein 2017 sind nach Angaben der Nichtregierungsorganisation 'Committee to Protect Journalists' (CPJ) neun syrische Journalisten getötet worden, in diesem Jahr bereits vier.

James Foley Journalist Reporter
James Foley und andere sind in Syrien ermordet worden. Bild: picture-alliance/dpa

"Selbstmordmission" 

Journalismus ist, so sagt es Martin Durm, in weiten Teilen des Landes nichts anderes als eine " Selbstmordmission". Der deutsche Journalist weiß, wovon er spricht: Er ist selbst Anfang 2012 zusammen mit einem Kollegen unter Beschuss geraten. Ihr Sender sprach damals von einem "gezielten" Anschlag auf ihren Wagen durch Scharfschützen. Das war in einer Zeit, als ausländische Journalisten noch mit gewissen Sicherheitsvorkehrungen durch Syrien reisen konnten. Heute wäre so eine Reise - außer in Teilen der vom Regime und von Kurden kontrollierten Gebieten - unmöglich.

Durm war das letzte Mal 2015 in Syrien, seitdem hat das Regime seine wiederholten Visaanträge immer wieder abgelehnt oder ignoriert. Es geht ihm wie so vielen anderen Journalisten, die über die Region berichten, aber oft keinen Zugang mehr haben - außer sie reisen "embedded", etwa mit dem russischen Militär oder mit kurdischen Milizen, durch das Land und sehen vor allem, was man ihnen zeigen will. Im Grunde können Beobachter, die oft in Kairo, Istanbul oder Beirut sitzen, nur das Material einsammeln, das lokale Journalisten und Aktivisten wie Husam liefern.

Doch es ist "unendlich schwierig", so sagt es Durm, die Informationen einzuordnen und zu prüfen. "Denn letztlich versuchen sowohl diejenigen, die zum Regime gehören, als auch diejenigen, die sich noch den Aufständischen zuordnen - zum Großteil sind das ja heute Dschihadisten und Islamisten -, Propaganda in eigener Sache zu machen." Durm spricht von einer gezielten Desinformation, die vom Regime und den Rebellen betrieben werde. Ohne die Präsenz von unabhängigen Berichterstattern konnte etwa das Regime den Vorwurf, es habe Anfang April Giftgas auf die von Rebellen kontrollierte Stadt Douma eingesetzt, immer wieder empört von sich weisen.

Alltag in der Hölle: Bericht aus Ost-Ghuta

So entstehen weiße Flecken in der Berichterstattung. Durm weist auf die Provinz Idlib im Norden Syriens hin, in der sich die islamistischen Aufständischen nach dem Verlust ihrer Hochburg Douma östlich von Damaskus sammeln. Der erfahrene Kriegsreporter ist sich sicher: Dort wird Syriens letzte Entscheidungsschlacht geschlagen, wohl schon in den kommenden Monaten. Aber: "Es ist für (ausländische, Anm. d. Redaktion) Journalisten vollkommen ausgeschlossen, nach Idlib zu gehen, um sich dort ein Bild über die katastrophalen Verhältnisse zu machen."

Und so bleiben letztlich nur Menschen wie Husam. Ist seine Arbeit gefährlich? "Manchmal", schreibt er lakonisch zurück. Aber er macht weiter, weil sonst niemand berichte. "Ich will dem Westen das Leiden der syrischen Bevölkerung näherbringen."

Martin Durm
Martin Durm: "Unendlich schwierig, Informationen aus Syrien zu bekommen" Bild: picture-alliance/dpa/SWR

Krieg als etwas Lästiges? 

Aber nicht nur in Syrien, auch in Afghanistan, Libyen, im Jemen und in weiten Teilen des Irak ist es gefährlich bis unmöglich für ausländische Journalisten zu berichten. Durm beschäftigt die Frage, was passiert, wenn es immer weniger unabhängige Berichterstattung über Kriege gibt: Kühles, nüchternes, aber auch in Teilen fragwürdiges Nachrichtenmaterial ersetzt recherchierte und erlebte Geschichten über das Leben der Bevölkerung im Krieg. Berichte, die, wie er findet, der Wirklichkeit des Krieges nicht gerecht werden. "In Wirklichkeit ist ein Krieg analog: Es wird analog gelitten und gestorben, und man muss im Grunde auch mit dem, was man vor Ort sieht, hört und riecht, die Berichterstattung füllen."

Die weißen Flecken der Kriegsberichterstattung haben fatale Folgen: "Das ist ein Grund dafür, dass der Syrien-Krieg bei uns (im Westen, Anm. d.Redaktion) eigentlich nur noch achselzuckend zur Kenntnis genommen wird, als etwas Lästiges, das man am liebsten abschreiben und vergessen würde." Dahinter stecke vielleicht die klammheimliche Sehnsucht, dass dieser Krieg doch letztendlich zugunsten Assads entschieden werde. "Nicht, weil man Assad mag, sondern weil man möchte, dass das Ganze endlich aufhört." Durms Stimme klingt, als er das sagt, ein wenig resigniert.