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Kriminalisten für den Katastrophenfall

2. Januar 2005

Mehr als 300 Fachleute aus 19 Ländern sind dabei, die Opfer der Flutwellenkatastrophe zu identifizieren. Deutschland hat seit über 30 Jahren eine Expertenkommission, die in solchen Fällen zum Einsatz kommt.

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Schlamm und Trümmer begruben viele Menschen unter sichBild: dpa


Die Identifizierungskommission (IDKO) des Bundeskriminalamtes bekommt immer dann Arbeit, wenn Katastrophen bis zur Unkenntlichkeit entstellte deutsche Opfer fordern - beim ICE-Unglück in Eschede 1998, dem Concorde-Absturz 2000 in Paris, der Flugzeug-Kollision von Überlingen 2002 oder jetzt nach der verheerenden Seebeben-Flutwelle in Südasien.

Opfer aus vielen Ländern

Rund 30 BKA-Spezialisten und externe Mitarbeiter arbeiten seit 29. Dezember in Thailand und versuchen, die Identität der von den gewaltigen Wassermassen furchtbar zugerichteten und in der Hitze aufgequollenen Leichen festzustellen. Die Arbeit der Experten konnte erst an Neujahr 2005 beginnen, da sich die einzelnen Länder erst untereinander und mit den thailändischen Behörden über das Vorgehen einigen mussten. "Es ist das erste Mal, dass es so viele Opfer aus so vielen Ländern gab", begründete ein französischer Polizist die Verzögerung.

Die komplizierteste Arbeit erwartet die BKA-Spezialisten vermutlich in den Ferienorten Phuket und Khao Lak. Der buddhistische Tempel in Khao Lak wurde zum Leichenschauhaus umfunktioniert. Rund 300 Leichen sind in dem Tempel zur Identifizierung aufgebahrt worden. Etwa 20 Prozent davon seien Ausländer. Es sei "eine sehr hohe Zahl an deutschen Opfern" zu befürchten, sagte der Sprechers der Deutschen Botschaft in Bangkok, Peter Finger.

Verschiedene Methoden

Wenn keine Verwandten oder Bekannte bei der Identifizierung helfen können, suchen die BKA-Experten nach Spuren. Es gibt drei wesentliche Wege, um die Herkunft der Opfer zu klären: Fingerabdrücke, Gebiss-Merkmale und die DNA-Analyse, erklärt der Sprecher des Bundeskriminalamtes (BKA), Dirk Büchner. Alle Wege aber seien zeitaufwändig, da immer Gegenproben bei Verwandten genommen werden müssten. "Das kann ein Haar, Fingerabdrücke oder die Röntgenaufnahme des Zahnarztes sein." Auch Nummern von Herzschrittmachern oder künstliche Hüftgelenke kämen für die Identifizierung in Frage. Augenfarbe, Form der Ohrläppchen, Narben oder Tätowierungen helfen ebenfalls weiter. Außerdem werden den Toten DNA-Proben aus dem Oberschenkelknochen entnommen. Um die Leichen später wiederzufinden, wird ihnen ein elektronischer Chip eingesetzt.

Einige Tote können vielleicht nie identifiziert werden, fürchtet die thailändische Gerichtsmedizinerin, Pornthip Rojanasunant. Sie und ihre Experten nähmen DNA-Proben, berichtet Pornthip der Nachrichtenagentur Reuters. Speichel und Haarproben würden zur Identifizierung aufbewahrt. Die Regierung in Bangkok hat zugesagt, dass keine Leichen von Ausländern ohne gerichtsmedizinische Begutachtung begraben oder verbrannt würden. Fachleute schätzen, dass es vermutlich Wochen dauern wird, bis die Identität aller Toten im Katastrophengebiet geklärt ist. Unter Umständen kann es auch noch Jahre dauern, bis alle Toten identifiziert sind.

Kommission von Freiwilligen

Gegründet wurde die deutsche Identifizierungskommission 1972, als bei einem Flugzeugunglück auf Teneriffa 155 Menschen ums Leben kamen. Seitdem wurde die Kommission zu 24 Einsätzen im In- und Ausland gerufen, 16 davon waren Flugzeugabstürze. 1316 Opfer haben die 110 Spezialisten dabei zweifelsfrei identifiziert. Die Mitarbeiter arbeiten freiwillig auf diesem vor allem psychisch schwierigen Aufgabenfeld. Sie kooperieren eng mit etwa 30 externen Fachleuten - zumeist Rechts- und Zahnmedizinern - aus ganz Deutschland. (arn)