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Kriselnder Russland-Tourismus

Milena Reimann24. Oktober 2014

Der russische Tourismusmarkt steckt seit dem Ukraine-Konflikt in einer Krise. Aus dem Westen kommen immer weniger Besucher. Trotzdem machen in Moskau neue Unterkünfte auf.

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Highlevel-Hostel in Moskau (Foto: Boris Bochkarev)
Bild: Boris Bochkarev/Highlevel-Hostel

Die Sicht aus dem Fenster der nagelneuen Präsidentensuite ist trüb: Nur wenige Menschen kreuzen den Roten Platz in Moskau, schnellen Schrittes huschen sie vorbei an grauem Schneematsch. Bunten Touristengruppen begegnet man in diesem Oktober selten. Doch im ehemaligen Hotel Moskwa ist die Stimmung ausgezeichnet, denn an diesem Freitag eröffnet hier das Fünf-Sterne-Luxushotel Four Seasons - und das, obwohl immer weniger Touristen die russische Hauptstadt besuchen. "Man muss jetzt eben aus verschiedenen Teichen fischen", sagt Max Musto, der Manager des Hotels. Er hält am europäischen Markt fest, doch sein Sales-Team ist derzeit vor allem in China unterwegs.

Mitten im schicken, neuen Finanzdistrikt Moskwa-City hat Anfang Oktober auch das erste Hochhaus-Hostel der Welt eröffnet. Statt Backpackern aus Europa kommen jetzt aber Diplomaten und Geschäftsleute in den 43. Stock des Imperia-Towers und genießen den Blick über die Stadt. "Wir hatten damit gerechnet, dass vor allem Geschäftsleute kommen, aber so viele hätten wir nicht erwartet", sagt Roman Drozdenko, einer der drei jungen Gründer des Highlevel-Hostels.

Max Musto (Foto:DW)
Max Musto, Manager des Four Seasons Hotels in MoskauBild: DW/M. Reimann

Da wäre zum Beispiel Alexej. In der Gemeinschaftsküche steht er in buntem Shirt und kurzen Hosen, nippt an seinem Tee und blickt aus der riesigen Fensterfront. Er ist zum ersten Mal in einem Hostel, und er fühlt sich wohl, "man ist abends nicht alleine", sagt der Geschäftsmann aus der russischen Provinz. Denn dann wird der Ikeatisch ausgezogen und Brettspiele kommen auf die knallorangene Tischdecke.

Mehr Asien, weniger Europa

Die schwächelnde russische Wirtschaft, Sanktionen und die Ukraine-Krise haben einen deutlichen Einfluss auf den russischen Tourismusmarkt. Es findet eine Verschiebung statt, die Präsident Wladimir Putin auch für die Wirtschaft angekündigt hat: Mehr Asien, weniger Europa. In der ersten Jahreshälfte belegten die Chinesen den Spitzenplatz bei den Ankünften in Moskau - zuvor waren es jahrelang die Deutschen. Doch die scheinen nun durch die Medienberichterstattung verunsichert zu sein. So kamen im ersten Halbjahr rund sechs Prozent weniger deutsche Touristen im Vergleich zum Vorjahreszeitraum nach Moskau. Aus den USA sind die Zahlen um mehr als das doppelte zurückgegangen, sagt die Stadtverwaltung. Der russische Hotellerie- und Gastronomieverband geht in diesem Jahr sogar von 50 Prozent weniger Touristen aus der EU aus, die Aussichten für Herbst und Winter seien schlecht.

Four Seasons Hotel in Moskau (Foto: Peter Vitale)
Eine Suite im Hotel Four Seasons in MoskauBild: Peter Vitale/Four Seasons Moscow

Die Tourismusbranche in Russland ist mit einem Bruttoinlandsprodukt-Anteil von unter drei Prozent noch klein, bis zur Krim-Krise war sie jedoch stetig gewachsen. Die Regierung unterstützt die Branche seit einigen Jahren mit Förderprogrammen und baut die noch kaum vorhandene Infrastruktur aus, vor allem in Moskau. Immerhin gibt es seit diesem Jahr einige Straßenschilder nicht nur mit kyrillischer, sondern auch mit lateinischer Schrift. Auf den Gleisen der Metro-Stationen sucht man nach der lateinischen Transkription allerdings noch vergeblich.

"Viele Leute kennen Russland nicht"

Wegen des schwächelnden Marktes haben die russischen Hotels ihre Preise bereits gesenkt, neue Mitarbeiter mit chinesischen oder koreanischen Sprachkenntnissen sind gefragt. Roman Drozdenko sagt, dass er trotz der Krise nicht um die Zukunft seines Hostels bangt. "Wer sein Business beherrscht, der braucht sich nicht um den Markt zu sorgen", sagt er. Die ersten Wochen scheinen ihm Recht zu geben: Für November ist in dem Hostel kaum noch ein Bett frei.

Roman Drozdenko (Foto: DW)
Roman Drozdenko ist Mitbegründer des Highlevel-Hostels in MoskauBild: DW/M. Reimann

Auch Max Musto ist Optimist. "Gehen Sie mal nachts um drei Uhr raus, da tanzen und feiern die Menschen hier. Das Problem ist nur, dass viele Leute Russland so nicht kennen", sagt er. Viele würden nur an den Konflikt Russlands mit der Ukraine denken. Er blickt aus dem Fenster des großen Ballsaals seines Hotels. Unten steht unter bunten Regenschirmen eine Gruppe Touristen und fotografiert sein Hotel. Es ist eine asiatische Reisegruppe.