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Krisenlage an Birmas Grenzen

12. November 2010

Heftige Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen an der Grenze zu Thailand, Tausende Birmanen auf der Flucht ins Nachbarland. Die Folgen einer Parlamentswahl, die weder frei noch fair war.

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In völlig überfüllten Fahrzeugen werden die Flüchtlinge wieder zurück über die Grenze nach Birma gebracht (Foto: Holger Grafen / DW)
In völlig überfüllten Fahrzeugen werden die Flüchtlinge wieder zurück über die Grenze nach Birma gebrachtBild: Holger Grafen

Es war ein wahrer Ansturm: Tausende Flüchtlinge kamen aus Birma über die Grenze nach Thailand. In der Grenzstadt Mae Sot richteten Behörden und Hilfsorganisationen daraufhin provisorische Camps ein. Unter den Zufluchtsorten war beispielweise auch ein Fußballfeld. Die Menschen waren erschöpft, noch völlig benommen von der Gewalt. "Wir wissen gar nicht, wie uns geschah und warum das Ganze passiert ist", sagt eine junge Frau, die mit einer Gruppe von anderen Frauen zusammensitzt. "Männer sind in unserer Ortschaft umhergelaufen und haben gerufen, dass wir uns in Sicherheit bringen sollen. Und so sind wir gerannt."

Essensausgabe an Flüchtlinge in einem Camp in Mae Sot (Foto: Holger Grafen / DW)
Essensausgabe an Flüchtlinge in einem Camp in Mae SotBild: Holger Grafen

Mittlerweile sind zwar die meisten Flüchtlinge von Mae Sot wieder nach Birma zurückgekehrt. Allerdings kann die Lage jederzeit wieder eskalieren – wie es in der Vergangenheit schon mehrfach geschehen ist. Dieses Mal war es in der Handelsstadt Myawaddy im Osten Birmas, nur einen Steinwurf von Mae Sot entfernt, zu Kämpfen zwischen Regierungssoldaten und Mitgliedern einer Rebellenorganisation gekommen. Auch aus einer Region weiter südlich wurden Kämpfe gemeldet. Anstoß der Auseinandersetzungen waren offensichtlich die Parlamentswahlen in Birma. Es waren die ersten seit 20 Jahren in dem von Militärs beherrschten Land.

Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Rebellen

Rebellenposten in der Stadt Myawaddy direkt an der Grenze zu Thailand (Foto: Holger Grafen / DW)
Rebellenposten in der Stadt Myawaddy direkt an der Grenze zu ThailandBild: Holger Grafen

Eine Splittergruppe der an sich regimetreuen Rebellenorganisation "Democratic Karen Buddhist Army" (DKBA) war am Wahltag in Myawaddy aufgetaucht und hatte gegen den Urnengang protestiert: Unter anderem besetzte die sogenannte "Brigade 5" eine Post- und eine Polizeistation. Mehrere Beobachter berichteten übereinstimmend, die Rebellen seien aufgetaucht, nachdem Regierungstruppen versucht hätten, Wähler einzuschüchtern. Die Bevölkerung habe für die Junta-treue Partei "Union Solidarity and Development Party" (USDP) stimmen sollen.

"Ich habe in der Nachbarschaft gehört, dass ein Anführer der Regierungstruppen gesagt haben soll, sie würden Einwohner sogar niederschießen und töten, wenn die nicht ihre Stimme abgeben würden", berichtete einer der Flüchtlinge. "Und es heißt, dass die DKBA in die Stadt gekommen ist, um dieses Gebiet und die Bewohner zu schützen."

Druck auf ethnische Minderheiten

Das dürfte nicht der einzige Grund gewesen sein: Was besagter Splittergruppe ebenfalls nicht passt, ist die Forderung der Zentralregierung, dass sich Rebellenorganisationen in den von ethnischen Minderheiten bewohnten Gebieten in sogenannte "Grenzschutztruppen" umwandeln sollen. Damit beiße die Junta bei vielen auf Granit, sagt Zipporah Sein, Generalsekretärin der "Karen National Union" (KNU).

Eine kleine Gruppe von Flüchtlingen im Sammelcamp (Foto: Holger Grafen / DW)
Eine kleine Gruppe von Flüchtlingen im SammelcampBild: Holger Grafen

Die KNU ist eine politische Organisation der ethnischen Karen-Minderheit, deren bewaffneter Arm seit mehr als 60 Jahren gegen die Junta kämpft. "Bereits im Vorfeld der Wahlen haben wir gesehen, dass das Militärregime die Gruppierungen unter Druck setzte, zu einem Teil der Grenzschutztruppen zu werden und sich damit unter die Kontrolle der Junta zu stellen", kritisiert Zipporah Sein. "Viele kleinere Gruppierungen wurden gezwungen, sich dem zu beugen, aber viele der größeren weigern sich nach wie vor."

Offensive der Junta gegen Rebellen?

Experten treibt die Sorge um, dass die Junta eine Offensive vorbereiten wird, mit der sie die Verweigerer in die Knie zwingen will. Nach dem Ausbruch der Gewalt in Myawaddy rechnet man damit, dass die ohnehin brisante Lage in anderen Grenzregionen ebenfalls explodiert. Nicht auszudenken sei es, wenn das Regime sich mit den größeren Rebellengruppen anlegen würde. Zum Beispiel mit der "United Wa State Army", erklärt Debbie Stothard vom "Alternativen Asean-Netzwerk für Birma". Denn die Wa-Armee zähle nicht nur zu den am besten bewaffneten und am besten ausgebildeten Gruppierungen, sondern sei auch eine der größten - wenn nicht sogar die größte.

"Sollte es tatsächlich einen Krieg zwischen den Wa und dem Regime geben, dann könnte das sehr ernste und weitreichende Folgen für das gesamte Land und auch für die Region haben", warnt Stothard. "Denn das alles würde sich nahe der Grenzen zu Thailand und China abspielen." Und das würde riesige Flüchtlingsströme bedeuten. Die Rebellen jedenfalls stellen sich auf eine Offensive ein. Laut Medienberichten haben sich sechs Gruppierungen zu einer Allianz entschlossen, um sich im Fall eines Angriffs gegenseitig Schützenhilfe leisten zu können.

Die Flüchtlinge werden in Schmugglerbooten an das birmanische Ufer gebracht (Foto: Holger Grafen / DW)
Die Flüchtlinge werden in Schmugglerbooten an das birmanische Ufer gebrachtBild: Holger Grafen

Autorin: Nicola Glass
Redaktion: Esther Broders