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Exportwirtschaft

16. März 2010

Deutschlands starke Exportwirtschaft schadet anderen EU-Staaten wie Griechenland: Mit diesem Vorwurf hat Frankreichs Wirtschaftsministerin Christine Lagarde eine schon länger schwelende Debatte neu belebt.

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Eine Porsche Cayenne wird für den Export in die USA verladen, Foto: AP
Deutsche Exporte sind anderen Euro-Ländern ein Dorn im AugeBild: AP
Auf dem Terminal für kombinierten Verkehr des Güterverkehrszentrums Euro Transport & Trade Centers (ETTC) in Frankfurt (Oder) wird ein Container von der Straße auf die Schiene umgeladen. Foto: dpa
Deutsche Exporte sind in der Krise eingebrochen, sind aber immer noch größer als die ImporteBild: picture-alliance/ dpa

Die Vorwürfe tauchen in regelmäßigen Abständen immer wieder auf: Deutschlands zu starke Exportwirtschaft nehme den anderen die Luft zum Atmen. So würden die Ungleichgewichte im Welthandel verschärft – und besonders innerhalb der Europäischen Union. Fakt ist: Deutschland gehört zu den Ländern mit dem weltweit größten Handelsüberschuss – sprich: Die Unternehmen des Landes exportieren wesentlich mehr Waren als umgekehrt Produkte und Dienstleistungen den Weg nach Deutschland finden. Im vergangenen Jahr erlitten die deutschen Exporteure zwar bedingt durch die Krise einen drastischen Einbruch – und verloren ihren Rang als Export-Weltmeister an die Chinesen. Dennoch übertrafen die Exporte die Importe noch immer um 136 Milliarden Euro.

Binnenmarkt ist das Problem

Der Chefökonom des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), Dierk Hirschel, Foto: dpa
Dierk Hirschel: Deutschland ist mit Schuld an griechischer KriseBild: picture-alliance/ZB

Dieser hohe Überschuss "drückt unsere Handelspartner an die Wand", sagt etwa der gewerkschaftsnahe Ökonom Gustav Horn. Für den Chefvolkswirt des deutschen Gewerkschafts-Dachverbandes DGB, Dierk Hirschel, liegt das Problem auf dem deutschen Inlandsmarkt. Seit Beginn der Europäischen Währungsunion im Jahr 1999 komme der Binnenmarkt nicht in Schwung, so der Volkswirt im Gespräch mit DW-WORLD.DE. Der private Verbrauch liege am Boden. Und das wiederum hänge zusammen mit der Entwicklung der Einkommen. Und das sei ein Problem auch für Deutschlands südeuropäische Nachbarstaaten. "Denn je mehr der deutsche Binnenmarkt am Boden liegt, desto weniger können diese Staaten nach Deutschland exportieren. Und insofern hängt das eine mit dem anderen zusammen."

"Diskussion läuft ins Leere"

Passanten laufen ueber Duesseldorfs teuerste Einkaufsstrasse, die Koenigsallee. Foto: AP
Es wird noch eingekauft in Deutschland - aber zu wenigBild: AP

Deutschland sei dadurch mit für die griechische Krise verantwortlich, so Hirschel weiter. In der Tat hat Deutschland seine internationale Wettbewerbsfähigkeit in den vergangenen Jahren erheblich gesteigert – auf Kosten des Heimatmarktes: Mit Nullrunden bei den Löhnen zum Beispiel. Doch dem Land jetzt daraus einen Strick zu drehen, das findet der Präsident des Bundesverbandes des deutschen Groß- und Außenhandels, Anton Börner, höchst abenteuerlich: "Das ist natürlich glatter Unsinn", so Börner gegenüber DW-WORLD.DE. "Das ist die Kritik aller Länder, die Defizite haben und ihre Wettbewerbsfähigkeit eben nicht so nach vorne gebracht haben, wie wir das getan haben." Und das sei schließlich auch die Basis unseres Wohlstandes: "Ohne Auftrag heute können wir morgen die Löhne nicht bezahlen und schon gar nicht die Sozialversicherungssysteme. Also die ganze Diskussion läuft ja völlig ins Leere."

Niedriglohnsektor muss ausgetrocknet werden

Dennoch kommt die Debatte den Forderungen der deutschen Gewerkschaften entgegen. Sie prangern seit längerem schon das Abrutschen des Lohnniveaus in Deutschland an. Neben höheren Löhnen würden auch niedrigere Steuern den privaten Konsum ankurbeln. Steuersenkungen plant die Regierung schon, höhere Löhne kann sie nicht verordnen – das ist in Deutschland Sache der Tarifparteien. Die Gewerkschaften verlangen zudem mehr öffentliche Investitionen und ein höheres Lohnniveau. Der Niedriglohnsektor müsse ausgetrocknet werden, sagt DGB-Chefvolkswirt Hirschel. Die entsprechenden Vorschläge lägen auf dem Tisch. Da gehe es um die Frage von Mindestlöhnen, um gleichen Lohn für gleiche Arbeit in der Leiharbeit, um eine Eindämmung geringfügiger Beschäftigungsverhältnisse -also der sogenannten Mini-Jobs oder Ein-Euro-Jobs. Hirschel: "Das wäre eine Strategie, die perspektivisch dazu führen könnte, dass die Löhne in Deutschland wieder stärker steigen, als das in der Vergangenheit der Fall war."

"Die anderen müssen besser werden!"

Anton Börner, Präsident des BGA (Bundesverband des Deutschen Groß- und Außenhandels) Bild: anemel
Anton Börner: Kritik an Deutschland ist UnsinnBild: anemel

Und somit zu einem stärkeren Binnenmarkt führt. Aber damit ist die Diskussion noch lange nicht zu Ende. Auch US-Präsident Barak Obama forderte jüngst die großen Exportnationen auf, die derzeitigen Unebenheiten im weltweiten Handel auszugleichen. Gleichzeitig will er die US-Exporte deutlich ankurbeln. Ungleichwichte müssen beseitigt werden, das findet auch Anton Börner. Seine Vorschläge zielen aber auf die Defizit-Länder. Denn es sei nicht so, dass man bessere Geschäfte mache, wenn die anderen Defizite haben. Besser wäre eine ausgeglichene Handelsbilanz auf hohem Niveau. "Das ist die entscheidende Frage: Nicht unsere Wettbewerbsfähigkeit nach unten fahren. Sondern die anderen müssen eben nachziehen, die müssen ihre Hausaufgaben machen – die müssen schlicht besser werden."

Dennoch muss der deutschen Volkswirtschaft daran gelegen sein, ihre sehr starke Exportabhängigkeit zu verringern: Denn der dramatische Einbruch der Wirtschaftsleistung um fünf Prozent im vergangenen Jahr lag eben auch an der extrem starken Fokussierung auf den Export. Und auch ein anderes Risiko lauert: Brechen die Ausfuhren ein, sind viele Arbeitsplätze betroffen: Schließlich hängt jeder dritte Job in Deutschland irgendwie vom Export ab: In Zahlen: 13 Millionen Stellen.

Autor: Henrik Böhme

Redaktion: Insa Wrede