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Die Mehrheit hat die Macht im UN-Menschenrechtsrat

14. Mai 2010

Der UN-Menschenrechtsrat ist die Nachfolgeorganisation der umstrittenen Menschenrechtskommission. Doch Resolutionen gegen Menschenrechtsverstöße scheitern oft an strategischen Bündnissen.

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Logo des UN-Menschenrechtsrates, dass seit der ersten Sitzung des Gremiums vom 19.-30. Juni 2006 in Genf besteht. (Foto: dpa)
Logo des UN-MenschenrechtsratesBild: dpa

Die Arbeit ist mühsam. Regierungsvertreter und Mitglieder von Nichtregierungsorganisationen, die sich gegen Folter und Gewalt und für Meinungs- und Redefreiheit einsetzen, müssen das immer wieder feststellen. Fortschritte hatte sich der damalige UN-Generalsekretär Kofi Annan erhofft, als er vorschlug, die unabhängige Menschenrechtskommission durch den Menschenrechtsrat (MRR) abzulösen. Der MRR hat seinen Sitz seit 2006 in Genf, wie zuvor schon die Menschenrechtskommission. Er ist allerdings kein unabhängiges Gremium mehr, sondern der UN-Generalversammlung untergeordnet. Und der MRR tagt zehn statt sechs Wochen pro Jahr, aber wie das Vorgängergremium am Genfer See.

Der frühere UN-Generalsekretär Kofi Annan lächelt. (Foto: dpa)
Wollte Reformen: Kofi AnnanBild: picture-alliance/dpa

Ungleiche Machtverteilung verhindert Effizienz

Genf mit Blick auf den Genfer See. (Foto: dpa)
Genfer UN-SitzBild: picture-alliance/ dpa

Die 47 Mitglieder werden aus kontinentalen Gruppen gewählt. Afrika und Asien sind mit je 13 Sitzen vertreten. Lateinamerika und die Karibikstaaten verfügen über acht, Osteuropa über sechs Sitze. Zur westlichen Gruppe zählen zur Zeit mit Belgien, Norwegen, den USA, Frankreich, Großbritannien, den Niederlanden und Italien sieben Staaten. Die Bundesrepublik gehörte dem MRR bis 2009 an und kandidiert für eine erneute dreijährige Mitgliedschaft ab 2012.


Bundesaußenminister Guido Westerwelle sprach bei seiner ersten Rede vor dem Menschenrechtsrat Anfang März die massiven Menschenrechtsverstöße des Iran an. Ausgerechnet die Islamische Republik hatte die Aufnahme in den MRR beantragt, inzwischen aber einen Rückzieher gemacht.

Bundesaußenminiser Guido Westerwelle fasst sich mit sorgenvoller Miene mit der linken Hand an den Kopf. (Foto: AP)
Kritik und Ideen: Außenminister WesterwelleBild: AP

Afrikanische und asiatische Mehrheit verhindert Sudan-Sanktionen

Ungeschoren ist der Sudan davon gekommen, trotz massiver Menschenrechtsverletzungen in der Provinz Darfur. Israels Menschenrechtsverletzungen während des Libanonkriegs 2006 wurden dagegen auf Betreiben der islamischen Mitglieder 120 Mal thematisiert. Und die Bush-Regierung in Washington gab nach Foltervorwürfen im irakischen Gefängnis Abu Ghraib und in Guantanamo ihren Beobachterstatus sogar zeitweilig auf. Kurioserweise hatten die USA bei der Einführung des MRR die Maßnahmen der Institution als nicht weitreichend genug kritisiert.

Libyen in den Menschenrechtsrat aufgenommen

Libyens Revolutionsführer Muammar al-Gaddafi in Tarnuniform. (Foto: AP)
Umstritten: Libyen und Muammar al-GaddafiBild: AP

Menschenrechtsorganisationen hatten vehement gegen Libyens Kandidatur protestiert. Die Organisation "Freedom House" bezeichnet den nordafrikanischen Staat als einen der repressivsten der Welt. Trotzdem wurde Libyen mit der erforderlichen Zweidrittelmehrheit in den Rat gewählt. 155 der 188 vertretenen Mitgliedsstaaten votierten am Donnerstag (13.05.2010) in geheimer Abstimmung für das Land, das von Muammar al-Gaddafi autoritär regiert wird.

Viele Entscheidungen sind politisch motiviert. Entschlüsse werden blockiert, weil die Mitglieder unterschiedlichen Bündnissen angehören, die sich gegenseitig schützen und unterstützen.

Der Rat hat viele Optionen...rein theoretisch

Der MRR könnte Sondersitzungen einberufen, um schneller auf schwere Menschenrechtsverletzungen reagieren können und diese an die Generalversammlung der Vereinten Nationen weiterleiten. Und Nichtregierungsorganisationen sind angehalten, sich aktiv bei Sitzungen zu beteiligen. Doch Kritik verhallt häufig.

Ein Stempel für Einhaltung der Menschenrechte

Die Mitgliedsstaaten müssen sich alle vier Jahre einem "Universellen Periodischen Prüfungsverfahren (UPR)" unterziehen. Dazu darf sich ein unabhängiger Sonderberichterstatter vor Ort ein Bild machen und Mitglieder der Zivilgesellschaft des Landes befragen. Bundesaußenminister Guido Westerwelle hat vorgeschlagen, unabhängige Länderexperten zu ernennen, die jedes Land der Welt auf Einhaltung der Menschenrechte überprüfen sollten. Damit könnten Glaubwürdigkeit und Effizienz des Menschenrechtsrates erhöht werden. "Ich finde, dass kein Land Angst davor haben sollte, Transparenz zu schaffen". Er wisse, wieviel Schwierigkeiten das in der Praxis nach sich ziehe, erklärte der liberale Politiker vor dem Menschenrechtsrat, und er fügte hinzu: "Ich möchte, dass wir in der Menschenrechtspolitik einen neuen Schwung bekommen". Gerade diesen Elan wollen andere Staaten aber ganz und gar nicht aufbringen.


Autorin: Karin Jäger
Redaktion: Hartmut Lüning