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"Hürriyet" soll in den Saal

27. März 2013

Das Münchener Oberlandesgericht gerät wegen seiner Haltung bei der Vergabe von Presseplätzen beim NSU-Prozess weiter in die Defensive. Kritik kommt auch von der Bundesregierung. Doch die Lage ist heikel.

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Türkische Tagestzeitung Hürriyet mi der Schlagzeile "Türkische Presse nicht erwünscht" (Foto: dpa)
Türkische Presse nicht erwünscht, türkische Tageszeitung HürriyetBild: picture-alliance/dpa

Das Verfahren interessiere die türkische Öffentlichkeit und die Menschen türkischer Abstammung in Deutschland sehr, sagte der Sprecher des Außenministeriums, Martin Schäfer. Daher wäre es schön, wenn "Vertreter der Medien darüber angemessen berichten können."

Der von Ermittlungspannen überschattete Prozess gegen die rechtsextremistische Terrorzelle "Nationalsozialistischer Untergrund" (NSU) soll am 17. April beginnen. Der Organisation werden die Morde an acht türkisch- und einem griechischstämmigen Kleinunternehmer und einer Polizistin vorgeworfen. Verantworten muss sich Beate Zschärpe als einzige Überlebende eines Trios, zum dem auch Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt gehörten, sowie vier mutmaßliche Helfer. Mundlos und Böhnhardt nahmen sich 2011 das Leben.

Auch Regierungssprecher Steffen Seibert appellierte indirekt an die Justiz, auch türkischen Medien den Zugang zum Prozess zu ermöglichen. Es gebe in der Bundesregierung Verständnis dafür, "dass es in der Türkei ein so großen Medieninteresse gibt, schließlich stammen die meisten Opfer dieser schrecklichen Mordserie aus der Türkei", sagte Seibert.

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses des Bundestags, Siegfried Kauder (CDU), verteidigte dagegen die Praxis der Medienakkreditierung seitens des Münchener Gerichts. "Eine Videoübertragung in einen anderen Saal hätte ein bisschen was von Schauprozess, und Public Viewing und wäre ein Verstoß gegen die Menschenwürde der Angeklagten", sagte Kauder dem "Kölner Stadt-Anzeiger".

Keine Prinzipienreiterei

Kauder steht mit seiner Haltung allerdings weitgehend allein. So betonte auch die Bundesbeauftragte für Migration, Staatsministerin Maria Böhmer (CDU), bei dem NSU-Verfahren blicke die ganze Welt auf Deutschland. Das Münchener Oberlandesgericht solle deshalb seine Akkreditierungspraxis überdenken. In anderen Prozessen mit ähnlich großem Medieninteresse seien in der Vergangenheit Lösungen gefunden worden.

NSU-Prozess - Heftige Kritik an Gericht

Auch die Antidiskriminierungsstelle des Bundes rügte die starre Haltung des Gerichts. "Natürlich hat das Gericht nach dem Gleichbehandlungsgesetz gehandelt und formal alles richtig gemacht", sagte die Leiterin der Behörde, Christine Lüders. "Hier geht es aber nicht um Prinzipienreiterei, sondern darum, Berichterstattung in den Herkunftsländern der Opfer zu ermöglichen."

Türkische Medien müssen Zugang haben

Das Gericht begründet seine Entscheidung damit, dass es die 50 zur Verfügung stehenden Presseplätze nach der Reihenfolge der Anfragen vergeben hätte. Eine Übertragung der Verhandlung in einen anderen Saal verstoße gegen bestehende Gesetze. Gleiches gelte für die Überlassung eines Platzes. So hatte die "Bild"-Zeitung betont, sie trete ihren Platz an die Türkische Zeitung "Hürriyet" (Artikelbild) ab. Dem schloss sich die ARD an.

Der Chefkorrespondent der Zeitung, Ahmet Külahci, warf dem Gericht Unsensibilität vor. Er habe mehr Solidarität von deutschen Kollegen erfahren als von der deutschen Justiz. "Wenn bei zehn Morden acht türkischstämmige Opfer waren, muss klar sein, dass türkische Medien Zugang haben", sagte er. Eine Intervention der Politik lehnte aber auch er ab. Die Justiz sei unabhängig, und das sei gut so.

gmf/SC/haz ( afp, apd, dpa,epd, rtr)