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Kritik ist nötig

Bernd Riegert6. November 2007

Wie weit sind die südosteuropäischen Länder auf dem Weg in die EU? Die Europäische Kommission ist skeptischer geworden, wie Bernd Riegert in seinem Kommentar meint.

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Bild: DW

Die Zeugnisse der Europäischen Union für ihre Beitrittskandidaten fallen in diesem Herbst nicht besonders gut aus, ja schlechter als im letzten Jahr. Der Reform-Eifer auf dem Balkan und in der Türkei lässt nach. Besonders auf dem westlichen Balkan grassiert nach wie vor die Korruption. Die demokratischen Kräfte in Serbien bleiben anfällig. Das Staatswesen in Bosnien-Herzegowina steckt in einer Krise. Die Reformen in Mazedonien verzögern sich wegen ethnischer Spannungen. Die Zukunft des Kosovos ist ungewiss - und so weiter, und so weiter. Die Beitrittsverhandlungen mit Kroatien laufen planmäßig, aber noch sind die Probleme in dem am weitesten voran geschrittenen Land so groß, dass eine Aufnahme 2009 nicht in Betracht kommt. Die EU formuliert vorsichtig und spricht von "Erweiterung in mittelfristigen und langfristigen Zeiträumen".

Perspektive bleibt erhalten

Bernd Riegert

Die Kritik aus Brüssel mag in einigen Punkten die betroffenen Staaten hart treffen, doch sie ist nötig, um die Schwachstellen aufzuzeigen. Die Kopenhagen-Kriterien für einen Beitritt, also "Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, freie Marktwirtschaft, keine Konflikte mit Nachbarstaaten“, müssen voll erfüllt werden. Das ist EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn den übrigen Mitgliedsstaaten schuldig. Wichtig ist aber auch, dass die EU die Aufnahme der Balkanstaaten von Bosnien bis Albanien nicht grundsätzlich in Frage stellt. Das Ziel bleibt. Die europäische Perspektive, die als Motor für Integration und Demokratisierung dienen soll, bleibt erhalten. Als Vorbild kann den übrigen Staaten Kroatien dienen, das zwar langsamer als erwartet, aber doch stetig den Weg in die Europäischen Union finden wird.

Für die Türkei hat die EU-Kommission viel Tadel, aber auch Lob zu vergeben. Immerhin haben es die Politiker in der Türkei geschafft, die Verfassungskrise um die Wahl des Staatspräsidenten zu lösen, ohne dass das Militär eingegriffen hat. Die Rolle des Militärs muss weiter zurückgedrängt werden, wenn die Türkei europäischen Standards genügen will. Insgesamt sind die Reformen in der Türkei erlahmt. Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit und die Rechte von Minderheiten sind immer noch nicht ausreichend geschützt und umgesetzt.

Ankara blockiert

Diese Mahnung ist nicht neu. Deshalb ist die Kritik des türkischen Ministerpräsidenten Erdogan, die EU erfinde immer neue Regeln mitten im Spiel, völlig unangebracht. Die EU muss verlangen, dass europäische Rechtsstandard eingeführt werden, wenn die Türkei irgendwann beitreten will. Die Regeln sind keineswegs neu, sondern von der türkischen Regierung bei der Eröffnung der Beitrittsgespräche 2005 akzeptiert worden.

Vielmehr ist es die Türkei, die die Beitrittsverhandlungen blockiert. Acht von 35 Verhandlungskapiteln bleiben geschlossen, weil sich Ankara weigert, Häfen und Flughäfen für den EU-Mitglied Zypern zu öffnen. In der Zypern-Frage ist man im ablaufenden Jahr keinen Schritt weiter gekommen. Das Zeugnis aus Brüssel bietet Munition für die notorischen Gegner eines EU-Beitritts der Türkei. Der quirlige französische Staatspräsident Sarkozy wird weiter dafür kämpfen, eine Mitgliedschaft zu verhindern. Sollte die Türkei im Nordirak einmarschieren, um die PKK unschädlich zu machen, würde sie den Beitrittsgegnern einen großen Gefallen tun. Denn der Angriff auf den Irak wäre mit EU-Normen nicht zu vereinbaren.

Schlechtes Beispiel: Rumänien

Geschwindigkeit und Erfolg der Beitrittsverhandlungen hängen von den Kandidatenländern ab. Die EU bemüht sich, alle fair zu behandeln, hat aber aus den zurückliegenden Beitrittsrunden auch gelernt. Zu frühe Beitritte können auch zu Rückschlägen führen. In Rumänien etwa, das trotz großer Bedenken 2007 beitreten konnte, sind der angemahnte Kampf gegen Korruption und die Aufarbeitung von Korruptionsvergehen wenige Monate nach der Mitgliedschaft praktisch zum Erliegen gekommen und die EU steht ohne Druckmittel da.