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Kritik von allen Seiten

10. Dezember 2009

Den Studierenden sind die Beschlüsse der Kultusministerkonferenz nicht genug. Sie fordern Mitbestimmung bei der Bologna-Reform. Die DW sprach darüber mit Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz.

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Margret Wintermantel, Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz (Foto: HRK)
Margret WintermantelBild: dpa

Die Kultusminister der Bundesländer wollen die Stofffülle und die Zahl der Prüfungen reduzieren und die Studienzeiten flexibler gestalten. Alles schön und gut, sagen die Hochschulrektoren, die das Ganze umsetzen müssen - wenn wir denn das Geld dafür hätten. Stimme der Hochschulrektoren ist die Hochschulrektorenkonferenz. Keine Konferenz im eigentlichen Sinne, sondern eine Interessensgemeinschaft der deutschen Hochschulen. Studierende sind darin nicht vertreten, das ist einer der Kritikpunkte bei den Studentenprotesten. Nicht nur die Studierenden kritisieren die Rektoren, auch die Kultusminister fordern eine schnellere Umsetzung ihrer Beschlüsse, und Bundesbildungsministerin Annette Schavan warf den Universitäten vor, sie hielten an einer Zulassungsbeschränkung für Masterstudiengänge fest, obwohl die Kultusminister jedem Bachelor-Studenten einen freien Zugang zum Masterstudium ermöglichen wollen. DW-WORLD.DE hat mit Margret Wintermantel, der Präsidentin der Hochschulrektorenkonferenz, über diese Kritik gesprochen.


DW-WORLD.DE: Frau Wintermantel, fühlen Sie sich zwischen den Forderungen der Kultusminister und den Forderungen der Studierenden zunehmend ungerechtfertigter Weise in der Schusslinie?

Margret Wintermantel: Ich weiß ja, was in den Hochschulen passiert, und die Hochschulen sind ständig dabei, ihre Aufgaben auf hohem Niveau zu erfüllen, nämlich Erkenntnis zu gewinnen und Forschung und Wissen weiterzugeben an die Studierenden. Jetzt ist zwar eine hohe Medienwirksamkeit entwickelt worden, aber ich kann die Leute nur einladen, sich einmal anzuschauen, was in den Hochschulen passiert.

Die reine Wissensvermittlung scheint ja nicht zu genügen, da sind ja ganz andere Probleme im Gespräch.

Wir haben jetzt bei den demonstrierenden Studierenden sicherlich wenigstens drei Ebenen zu unterscheiden: Einmal kritisieren die Studierenden die Gesellschaft generell und wünschen sich Diskussionen und Veränderungen, was manchmal ein bisschen ideologiebehaftet daherkommt. Die oberste Ebene ist also generelle Gesellschaftskritik. Die nächste Ebene ist dann die Mitsprache – die Teilhabe, die Partizipation der Studierenden an Entscheidungen innerhalb der Hochschulen. Und die dritte Ebene sind einfach ganz konkrete Forderungen an die Verbesserung des Studienangebotes.

Können Sie die Studierenden verstehen?

Ich kann verstehen, dass die Studierenden in der derzeitigen Situation einfach sagen: Wir brauchen gute Studienbedingungen! Die Gesellschaft erwartet von der jungen Generation, dass sie innovationsfähig ist, dass sie hervorragend ausgebildet ist, dass sie diese Volkswirtschaft weiterhin tragen wird, dass sie in einer alternden Gesellschaft für die Renten zuständig sein wird. Man erwartet also sehr viel von der Generation, und die jungen Leute haben den Eindruck, dass dafür die Studienbedingungen verbessert werden müssten. Das kann ich verstehen.

Wem machen Sie Vorwürfe in der jetzigen Situation? Warum sind die Studienbedingungen denn nicht so, wie sie sein müssten?

Studenten in einem Hörsaal der Humboldt-Universität Berlin (Foto: AP)
Überfüllte Hörsäle, zu wenig Personal: Die Studienbedingungen sind reformbedürftig.Bild: AP

Ich mache nicht dauernd Vorwürfe, sondern ich bemühe mich um Lösungen, und ich denke, dass wir die nur gemeinsam hinkriegen. Wir haben in Deutschland eine Betreuungsrelation in den Hochschulen, die einfach schlecht ist im internationalen Vergleich. Wir brauchen mehr Personal, wir brauchen kleinere Seminare, wir brauchen kleinere Lehrveranstaltungen, in denen tatsächlich die Kompetenzen der Studierenden entwickelt werden, in denen die Dialogdichte erhöht wird zwischen Studierenden und Lehrenden, so dass tatsächlich der Aufbau der Kompetenzen – das ist ja eine Forderung der Bologna-Reform – besser funktionieren kann.

Also brauchen Sie letztendlich auch mehr Geld, um das umzusetzen?

Natürlich!

Sie haben aber auch selber Fehler eingeräumt bei der Umsetzung von Bachelor und Master.

Das Wort 'Fehler' ist vielleicht zu stark, aber es gibt an einigen Stellen Ansatzpunkte zur Verbesserung, und dazu gehört zum Beispiel die Prüfungslast. Die Studierenden klagen ja über zu viele Prüfungen – und das ist offensichtlich wirklich in einigen Studiengängen der Fall, dort wird man Veränderungen vornehmen, und das passiert auch. Ein anderer Punkt ist die Stofffülle: Die Studierenden beklagen sich, dass in manchen Bachelor-Studiengängen zu viel Stoff reingepackt worden ist. Auch da sind die Hochschulen dabei, diese Punkte zu identifizieren und dann auch zu verbessern.

Nun sind die Studierenden vielleicht mit der Zeit etwas ungeduldig geworden. Bis 2010 sollte die Reform abgeschlossen sein – und man hat das Gefühl, als fange man erst jetzt an, diese Probleme anzugehen.

Das ist nicht wahr. Jetzt hat man plötzlich eine hohe Medienpräsenz – aber Sie können sich die Entschlüsse, die Papiere und die Diskussionen innerhalb der Hochschulrektorenkonferenz anschauen, wir sind doch in einem Prozess der Umsetzung dieser Studienreform. Unsere Leute sind seit Jahren unterwegs, mit Beratung zur Studienganggestaltung, mit Veranstaltungen, um Erfahrungsaustausch zu organisieren.

Hat das denn dann nicht gereicht? Warum protestiert man jetzt dann? Man könnte doch auch sagen: Habt noch etwas Geduld, wir sind auf dem Weg – und alles wäre gut.

Studenten besetzen das Audimax der Universität Duisburg-Essen (Foto: dpa)
Seit Wochen protestieren die Studierenden ...Bild: picture alliance/dpa

Ich würde auch sagen: Habt noch etwas Geduld – aber geht auch in den Dialog rein, kümmert euch auch darum, auch in den einzelnen Studiengängen. Dort sollte ein Dialog stattfinden zwischen den Studierenden und den Lehrenden.

Sie sagen: Wir tun schon ganz viel, aber uns fehlt das Geld – andere sagen, Sie tun noch nicht genug. Bräuchte man vielleicht eine Kontrollinstanz, die nachhält, was getan wurde und was noch fehlt, was noch getan werden kann?

Kontrollinstanz, das gefällt mir nicht. Wir brauchen nicht noch eine Behörde. Wir brauchen eine gemeinsame Anstrengung, und das ist ja der Grund, warum ich noch einen Bologna-Gipfel gefordert habe: Wir müssen uns wirklich an einen Tisch setzen und über diese aktuellen Probleme und deren Lösung sprechen.


Das Gespräch führte Gaby Reucher
Redaktion: Sabine Damaschke