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Kritische Distanz

Ute Schaeffer21. Februar 2003

Einen Entschluß der US-Regierung zum Krieg gegen das Regime von Saddam Hussein wird auch Russland nicht verhindern können. Ein diplomatischer Trumpf bleibt jedoch - das Veto für den Fall einer zweiten Irak-Resolution.

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Putin: Schritt zur Errichtung einer multipolaren WeltordnungBild: AP

Russland steht in der Irak-Frage der gemeinsamen Position der EU-Außenminister weit näher als den amerikanischen Plänen. Notfalls werde Russland im UN-Sicherheitsrat sein Veto gegen eine zweite Resolution zum Irak-Krieg einlegen, betonte Außenminister Igor Iwanow am Donnerstag (20.2.2003), in einem Interview. Bereits bei seinem Staatsbesuch in Paris eine Woche zuvor hatte der russische Präsident öffentlich erklärt, dass Russland ein Veto gegen einen Irak-Krieg im UN-Sicherheitsrat erwäge. Derzeit sei zwar ein Veto noch nicht notwendig, so Putin, doch wolle er es ausdrücklich "nicht ausschließen".

Die gemeinsame Erklärung von Frankreich, Deutschland und Russland gegen einen Irak-Krieg ist nach Ansicht Putins ein Schritt zur Errichtung einer multipolaren Weltordnung. Umgekehrt ist man in Moskau verärgert darüber, dass die USA bei ihrem Krieg gegen den Terror, die NATO praktisch nicht mit einbeziehen. Moskau geht also inzwischen deutlich auf Distanz zu den amerikanischen Kriegsplänen. Und während sich Putin und sein Außenminister noch vergleichsweise diplomatisch äußern, sind die Töne auf der Arbeitsebene - bei außenpolitischen Experten, Beobachtern und Militärs - noch weit kritischer.

UNO "zertreten"

Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses in der Russischen Duma, Dimitrij Rogosin, ging nach der Veröffentlichung der EU-Erklärung auf Distanz zur Bush-Regierung. Die Amerikaner sollten sich sehr genau anhören, wie sich die Staats- und Regierungschefs der EU eine friedliche Lösung des Irak-Konflikts vorstellen, sagte Rogosin. Sein Land habe sich noch nicht damit abgefunden, dass ein Waffengang der USA im Irak unausweichlich sei.

Noch weiter ging der stellvertretende Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Russischen Föderationsrat, Alexander Korobejnikow. Anlässlich einer Konferenz mit außenpolitischen Experten in Moskau urteilte er: "Die UNO wird heute förmlich zertreten."

Suche nach Moskaus Profit

Dennoch geht die Mehrzahl der russischen Experten nicht davon aus, dass der Krieg noch abzuwenden ist. Wichtig sei es jedoch, die nationalen Interessen Russlands bei einer Nachkriegsordnung im Blick zu behalten. Dies meint auch Georgij Mirski vom Forschungszentrum für Weltwirtschaft und Internationale Beziehungen: "Der Irak wird schnell geschlagen werden", prophezeit er. Kaum jemand werde für Saddam kämpfen, abgesehen von seiner Nationalgarde. Hunderttausende würden sich ergeben oder versuchen zu fliehen. Man müsse davon ausgehen, dass die Regierung in Bagdad gestürzt wird. Mirski beschäftigt vor allem eines: "ob und wie wir davon profitieren können".

Russlands Experten sehen für ihr Land durchaus politisch-strategische Chancen in Europa und der arabisch-moslemischen Welt, wenn die USA trotz zahlreicher weltweiter Mahnungen zur Zurückhaltung den Irak angreifen sollten. Gleichzeitig könnten sich für Moskau wirtschaftliche Nachteile aus dem Sturz von Saddam Hussein ergeben. Schließlich profitiert die russische Volkwirtschaft vom vergleichsweise hohen Preis für Erdöl auf dem Weltmarkt. Sollte dieser einbrechen, weil die USA eine entsprechende Nachkriegsordnung für den Irak gestalten, so würden damit auch die Gewinne aus dem Export der sibirischen Öl- und Gasindustrie schwinden. Dennoch: Auch Russland hat Medienberichten zufolge mit der Evakuierung seiner Bürger aus dem Irak begonnen.