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Kroatien: Frauen im Berufsleben nicht gleichgestellt

8. September 2005

Eine Studie zeigt: Das Einkommen kroatischer Frauen ist oft geringer als das der Männer. Eine bedauernswerte Orientierung am Westen, meinen Kritiker – im sozialistischen Jugoslawien war das Verhältnis ausgeglichener.

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Erfolgreiche Geschäftsfrau - eine Illusion für Kroatinnen?Bild: AP

Bei gleicher Arbeit liegt das Durchschnittseinkommen der Frauen um 19,4 Prozent niedriger als das der Männer. Frauen in Führungspositionen erhalten sogar 50 Prozent weniger Gehalt als ihre männlichen Kollegen. Diese Angaben stammen aus einer Umfrage an 5.000 Personen, die das Internetportal Meine Arbeit durchführte. Vesna Terselic, Trägerin des Alternativen Friedensnobelpreises und langjährige Aktivistin, bedauert es, dass sich Kroatien gerade im Hinblick auf die ungleiche Bezahlung der beiden Geschlechter am Westen orientiert und nicht in anderen Bereichen wie Sozialschutz und Arbeitsrecht.

Wachsendes Problem

Terselic zufolge müssen sich Nicht-Regierungsorganisationen und staatliche Institutionen gemeinsam engagieren, um diesem Missstand ein Ende zu bereiten. Frauenverbände hätten, noch bevor diese Studie veröffentlicht wurde, darauf hingewiesen, dass niedrigere Entlohnung für Frauen in Kroatien zu einem stark ausgeprägten Problem herangewachsen sei. Dies liege zum Teil daran, dass es Arbeitgeber in Kroatien vermieden, besser bezahlte Arbeitsplätze mit Frauen zu besetzen, weil sie Frauen als Mütter und Hausfrauen sähen. "Ferner ist die Erziehung zuhause bei uns noch recht patriarchalisch. Daher stellt sich ein Problem auch darin, mit welcher geistigen Einstellung wir unser Elternhaus verlassen", so Terselic.

So genannte Frauenberufe schlecht bezahlt

Dem Umfrageergebnis zufolge sind der Finanz-, Pharma- und der IT-Sektor die drei bestbezahlten Branchen auf dem kroatischen Arbeitsmarkt. Das Einkommen in diesen Bereichen ist um 20 Prozent höher als das Durchschnittseinkommen von 4.432 Kuna, was rund 600 Euro entspricht. Darunter ragen Informatiker mit einem Einkommen 30 Prozent über dem Durchschnitt heraus: Sie sind die am besten bezahlten Fachleute. Dagegen gehören Beschäftigte in der Verwaltung, dem Schulwesen sowie Künstler und Designer zu den am schlechtesten entlohnten Berufszweigen – Berufe also, denen überwiegend Frauen nachgehen. Ante Bakic, Direktor des Internetportals Meine Arbeit, hat leicht zynisch anmutende Ratschläge für Frauen, Berufseinsteiger und Beschäftigte, die einen besser bezahlten Job suchen. "Wenn Sie eine Frau sind – ändern Sie Ihr Geschlecht! Das als erstes. Dann, wenn Sie nicht in der Finanzbranche, im Consulting oder IT-Bereich tätig sind – machen Sie eine Ausbildung dafür", meint Bakic.

Verlierer der Transition

Die größten Verlierer der Transition in Kroatien sind neben Rentnern und älteren Arbeitnehmern in Kroatien eben auch Frauen. Manch einer wird sagen, Frauen seien auch in westlichen Ländern schlechter bezahlt, daher sollte daraus kein großes Problem gemacht werden. Nur ist es äußerst fragwürdig, wie sich dies auf die Motivation der Frauen, die eine Ausbildung oder Arbeit aufnehmen, oder auf die kroatische Wirtschaft auswirkt. Denn 1,3 Millionen aktive Arbeitnehmer müssen für sich und 1,1 Million Rentner sowie über 300.000 Arbeitslose sorgen.

Gordana Simonovic, Zagreb
DW-RADIO/Kroatisch, 8.9.2005, Fokus Ost-Südost