Kroatien: Keine Bildungs-Privilegien mehr für Veteranenkinder
21. Dezember 2006Verstoß gegen Gleichheitsprinzip
Das umstrittene Privilegierten-Gesetz war Anfang 2005 in Kraft getreten. Ihm zufolge hatten Kinder von gefallenen, gefangenen oder vermissten "Verteidigern des Heimatkrieges", Kriegsinvaliden und Freiwilligen das Recht, sich direkt an Mittel- und Hochschulen einzuschreiben – ohne Prüfung, nur mit der Voraussetzung, dass sie die erforderliche Punktzahl beziehungsweise das jeweilige Klassenziel erreicht hatten. Dieses Gesetz sei verfassungswidrig, sagten diejenigen, die den Antrag auf Überprüfung gestellt hatten. Es widerspreche dem Prinzip der Gleichheit aller vor dem Gesetz in einem Rechtsstaat, dem Recht auf Schul- und Hochschulbildung sowie dem Selbstbestimmungsrecht von Forschung und Lehre.
Akademische Selbstbestimmung missachtet
Die Verfassungsrichter haben dem Einspruch stattgegeben und das Gesetz aufgehoben. In ihrer Begründung heißt es unter anderem, dass Mittel- und Hochschulen allen Interessierten zu gleichen Bedingungen und entsprechend ihren Fähigkeiten zugänglich sein müssten. Dies sei ein in der Verfassung garantiertes Recht. Es ließe keine Ausnahmen zu und es sei auch nicht vorgesehen, dass jemand bei der Einschreibung aus irgendeinem anderen Grund begünstigt werde. Den Verfassungsrichtern zufolge habe der Gesetzgeber nicht das Recht gehabt, Veteranen-Kinder bevorzugt zu behandeln. Außerdem sei durch das Gesetz gegen die Selbstbestimmung der Universität verstoßen worden. Die Richter beriefen sich dabei auf das Gesetz über Wissenschaftliche Tätigkeiten und Hochschulbildung. Diesem zufolge gehört die Immatrikulation von Studenten zu den Grundlagen der akademischen Selbstbestimmung, die der Staat nicht einschränken darf.
Kampfansage des Veteranenverbandes
Die kroatische Regierung gab sich von der Entscheidung des Verfassungsgerichts überrascht. "Wir werden keinesfalls Unordnung in die Entscheidungsbereiche der Universitäten bringen", sagte Ministerpräsident Ivo Sanader, "aber wir vergessen natürlich auch nicht die Verdienste, die diese Familien bei der Schaffung, Verteidigung und Befreiung Kroatiens hatten." Die Veteranenorganisation HVIDRA ließ verlauten, sie sei "schockiert" über die Entscheidung des Verfassungsgerichts. Das Kroatische Helsinki-Komitee, die Universität in Zagreb und der Unabhängige Wissenschafts- und Hochschulverband hätten übermäßig Druck ausgeübt. Bei der bevorzugten Einschreibung handle es sich nicht um ein "Privileg", sondern nur um einen "Vorteil". Die HVIDRA kündigte rechtliche Schritte gegen die Aufhebung des Gesetzes und eine öffentliche Debatte an.
DW-RADIO/Kroatisch, 21.12.2006, Fokus Ost-Südost