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Kroatien kommt in die EU

10. Juni 2011

Kroatien ist auf dem Weg in die EU einen wichtigen Schritt weiter - die EU-Kommission hat grünes Licht für den Beitritt gegeben. Sind nun die Nachbarstaaten auch näher an die EU gerückt? Nein, meint Verica Spasovska.

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Bild: DW

Am Freitag (10.6.2011) schreibt Kroatien Geschichte. Der Beitritt in die EU, der nun in greifbare Nähe gerückt ist, bedeutet die Erfüllung des wichtigsten außenpolitischen Ziels seit der Unabhängigkeit des Landes vor zwanzig Jahren. Die wirtschaftlichen und politischen Reformanstrengungen Kroatiens wurden zu Recht mit der Ankündigung belohnt, das Land werde im Jahr 2013 in die EU aufgenommen.

Kroatien hat geschafft, wovon die anderen beitrittswilligen Länder in der Nachbarschaft träumen. Die Mitgliedschaft in der EU ist auch für Serbien, Bosnien-Herzegowina, Mazedonien, Kosovo, Montenegro und Albanien eine Verheißung. Mit Ausnahme des Kosovo, das erst 2008 unabhängig wurde, haben sie alle bereits umfassende Assoziierungs- und Stabilisierungsabkommen mit der EU unterzeichnet, was die Heranführung an die EU unterstützen soll. Bedeutet der Beitritt Kroatiens, dass die anderen rasch nachziehen werden? Nein, leider deutet vieles darauf hin, dass die Wartezeit für die südosteuropäischen Kandidaten auf unbestimmte Zeit verlängert wird.

Alle Kandidaten machen Fortschritte

Spasovska Verica, Leiterin Mittel-Südosteuropa-Programme der DW
Verica Spasovska, Leiterin Mittel-Südosteuropa-Programme der DW

Das hat zum einen seine Gründe in den bestehenden Defiziten dieser Transformationsländer. In ihren Fortschrittsberichten weist die EU bei allen Kandidaten darauf hin, dass die Unabhängigkeit der Justiz von der Politik nicht ausreichend ist, dass Korruption auch weiterhin ein großes Problem ist, dass Klientelwirtschaft Reformen verhindert. Vielerorts blockieren die politischen Eliten den Fortschritt, weil sie, wie zum Beispiel in Bosnien-Herzegowina, Volksgruppen-Denken der Sachpolitik vorziehen. In Albanien verhindert die tief sitzende Rivalität zwischen Regierung und Opposition Fortschritte in Richtung EU. Beitrittsperspektiven für das Kosovo werden durch den Anerkennungskonflikt mit Serbien erschwert. Mazedoniens Annäherung an die EU wird durch den Namensstreit mit Griechenland torpediert.

Aber gleichzeitig darf das nicht darüber hinwegtäuschen, dass auch viele Fortschritte gemacht wurden. Jüngstes Beispiel ist Serbien, dem mit der Auslieferung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers Ratko Mladic an das Kriegsverbrechertribunal ein wichtiger Schritt nach vorn gelungen ist. Die Chancen auf eine Aufnahme von Beitrittsverhandlungen sind für Belgrad besser denn je. Montenegro kann ein weitgehend spannungsfreies Zusammenleben zwischen den ethnischen Volksgruppen im Lande vorweisen. Alle Länder machen Fortschritte in den Bereichen Wirtschaft und Politik.

Angst vor neuen Problemen in der EU

Dennoch dürfte es schwer für sie sein, dass diese Fortschritte in den EU-Mitgliedsstaaten ausreichend gewürdigt werden. Zu groß ist die Angst davor, mit den Westbalkanländern noch mehr Probleme in die EU zu holen. Neben dem ungelösten Zypern-Konflikt könnte Kosovo das nächste Sorgenkind der EU werden, befürchten die Erweiterungsgegner. Zudem sei es schon jetzt schwer genug, einheitliche Standards innerhalb der EU umzusetzen, was sich in der Diskussion um den Schengen-Beitritt Rumäniens und Bulgariens niederschlage, wenden sie ein.

Allerorten wird diese Diskussion von der Finanzkrise Griechenlands zusätzlich überlagert. Stammtischparolen, mit denen die angeblich so faulen Südeuropäer gegen die fleißigen Nordeuropäer ausgespielt werden, sind da schnell zur Hand. Das Wahlvolk hört das gerne. Aber unter dieser populistischen und emotional aufgeladenen Debatte leidet auch das Ansehen der griechischen Nachbarländer. Da ist es schwer, dass die Befürworter der Erweiterung gehört werden, wenn sie zu Recht darauf hinweisen, dass die Beitrittsperspektive verbunden mit Bedingungen Reformdruck erzeugt - oder wäre Mladic heute in Den Haag, wenn Serbien nicht unbedingt in die EU wollte? Dass man nicht vergessen sollte, dass der Westbalkan mit seinen Wachstumsraten wirtschaftlich interessant für die EU ist. Und vor allem, dass die Europäische Union ein Friedensprojekt ist.

Genau diese Rolle, die sie nach dem Zweiten Weltkrieg in Westeuropa eingenommen hat und damit dem Kontinent zu großer Stabilität und Aufschwung verholfen hat, muss die EU jetzt auch auf dem Westbalkan einnehmen. Nur dürfte das länger dauern, als die Menschen in Südosteuropa glauben. Diese bittere Wahrheit müssen die politischen Eliten ihren Wählern sagen. Und sie sollten eines erklären: Die EU-Integration ist nicht Ersatz für wirtschaftliche Reformen, die sie selbst in die Hand nehmen müssen. Gerade weil die Wartezeit länger dauern wird, als ihre Wähler es gerne glauben möchten. Das künftige EU-Mitglied Kroatien sollte seinen Nachbarn helfen, diesen schwierigen Weg zu gehen.

Autorin: Verica Spasovska
Redaktion: Friedel Taube