1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Kuba wagt ein bisschen Demokratie

Tobias Käufer4. März 2013

Ein neues Gesetz auf Kuba vergrößert nun auch Reisefreiheit von Regimegegnern. Hoffnung auf weitere politische Öffnung hegen Castros Gegner aber nicht. Im Gegenteil: Sie sprechen von weiterer Verhärtung des Regimes.

https://p.dw.com/p/17q4q
Die prominente kubanische Bloggerin Yoani Sanchez auf einer Pressekonferenz in Brasilien, 19.2. 2013. (Foto: REUTERS)
Bild: Reuters

Der Empfang war alles andere als herzlich. Als Kubas international bekannteste Dissidentin, die Bloggerin Yoani Sanchez, nach jahrelangem Warten endlich ihren Reisepass erhielt und brasilianischen Boden betrat, warteten dort schon ihre Kritiker. Lautstark drückten die Sympathisanten der in Kuba regierenden Sozialisten beim ersten öffentlichen Auftritt der unbequemen Bloggerin auf fremdem Terrain ihren Unmut aus. Denn Sanchez´ Fundamentalkritik am kubanischen System ist ihnen ein Dorn im Auge. Sie freue sich darüber, denn das sei die Meinungsfreiheit, die sie sich auch für Kuba wünsche, reagierte die Bloggerin zunächst gelassen auf die Proteste. Später warf sie der kubanischen Regierung vor, die Kundgebung gegen sie von Havanna aus organisiert zu haben.

In gut 80 Tagen will die Autorin des regierungskritischen Blogs „Generacion Y" mehr als ein Dutzend Länder bereisen. Auch nach Deutschland und in die Schweiz werde die 37 Jahre alte Philologin kommen, bestätigte ihr Ehemann Reinaldo Escobar dem Nachrichtensender NTN. Wo immer Sanchez auftritt, herrscht eine polarisierte Atmosphäre. Gegner wie Anhänger des kubanischen Politikmodells liefern sich einen hitzigen Schlagabtausch. Sanchez ist für beide Seiten ein Symbol: Für die Meinungsfreiheit und einen demokratischen Aufbruch sagen die einen - für eine vom Ausland gesteuerte Manipulation sagen die anderen. Mit der neuen Reisefreiheit hat Kuba auch seine bisweilen gespaltene und polarisierte Seele ins Ausland exportiert.

Protest gegen Yoani Sanchez in Brasilien, 21.2. 2013 (Foto:(AP)
Gelenkter Unmut? Protest gegen Yoani Sanchez in BrasilienBild: picture-alliance/AP

Einladung der deutschen Botschaft

Auch die Sprecherin der kubanischen Bürgerrechtsbewegung "Frauen in Weiß", Berta Soler, will das neue reformierte kubanische Ausreisegesetz in Anspruch nehmen. Im April wird sie an einer Regionalkonferenz von Menschenrechtsorganisationen in Panama teilnehmen. Zuvor wird Soler aber unter anderem auch nach Spanien reisen. Dies geschieht unter anderem mit Hilfe der deutschen Bundesregierung, wie Soler dem aus Miami sendenden kubakritischen Sender Radio Martí verriet. Soler hat über die deutsche Botschaft in Havanna eine Einladung des Außenministeriums aus Berlin erhalten. 

Die deutsche Bundesregierung hatte die neue kubanische Reisefreiheit zuvor eindeutig begrüßt. "Die Ankündigung von Reiseerleichterungen durch Kuba ist ein positiver, wenn auch überfälliger Schritt der Öffnung", erklärte Bundesaußenminister Guido Westerwelle bei Bekanntwerden der Reform. Dies zeige, dass die Regierung in Havanna "den Wunsch der Menschen nach mehr Freiheit nicht länger ignorieren" könne.  Beim jüngsten EU-Lateinamerika-Gipfel in Chile kam es fast zu einem zufälligen Treffen zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Kubas Staatpräsident Raul Castro. In einem Saal liefen sich die beiden Regierungschefs über den Weg. Castro blickte der Kanzlerin direkt in die Augen und auch kurz auf die Hände, doch die Bundeskanzlerin war so schnell unterwegs, dass ein historischer Händedruck ausblieb. Dafür kommt auf anderem Gebiet neue Bewegung in die festgefahrenen Beziehungen: Ein Kulturabkommen, das seit Jahren auf eine Unterschrift wartet, scheint nun endlich vorwärts zu kommen. Im Außenministerium wird sogar ernsthaft über eine Reise von Guido Westerwelle nach Havanna diskutiert. Berlin wolle damit die Reformbemühungen Kubas würdigen, heißt es aus dem Umfeld Westerwelles. Die politischen wie wirtschaftlichen Reformen auf Kuba scheinen ihre Wirkung zu entfalten, die Blockadehaltung gegen Kuba weicht auf.

Fidel ud Raúl Castro im kubanischen Parlament, 24. 2. 2012. (Foto: AP)
Herren der Insel: Fidel und Raúl CastroBild: picture alliance/AP Photo

Schriftsteller kritisiert Europa

Das gefällt nicht jedem. Der jüngst zu einer Haftstrafe verurteilte Schriftstellers Angel Santiesteban etwa erklärt im Gespräch mit der Deutschen Welle: "Die Opposition ist überrascht, dass Europa die Zügel schleifen lassen will. Ich glaube, im Moment gibt es Repressionen wie nie zuvor in Kuba. Jeden Tag gibt es Schläge gegen die Opposition, jeden Tag gibt es Verhaftungen. Ich weiß nicht, wie es der kubanischen Regierung gelungen ist, die Europäer so zu manipulieren, dass diese glauben, dass sich die Dinge bessern. Das Gegenteil ist der Fall."

Für den großen Rest der Kubaner bleibt die Debatte über die Reisefreiheit ohnehin nur eine Diskussion über unerreichbare Träume: Sie brauchen für die meisten Länder der Welt ein Einreisevisum. Das ist nicht leicht zu bekommen, insbesondere weil die potentiellen neuen Touristen von der Karibikinsel mit einem durchschnittlichen Monatslohn von umgerechnet 50 US Dollar nicht einmal annähernd über ausreichende finanzielle Mittel für eine Reise verfügen. Dass Yoani Sanchez und Berta Soler ihre lange erhofften Auslandsreisen antreten können, macht sie von Außenseitern der Gesellschaft zu privilegierten Kubanerinnen. Und dass obendrein ihre Reisen von ausländischen Gastgebern finanziert werden, wird sie innenpolitisch angreifbar machen.

Ein Kubaner mit neu ausgestelltem Reisepass, 14. 1. 2013 (Foto: EPA / Bildfunk)
Auf dem Sprung: Ein Kubaner mit neuem ReisepassBild: picture-alliance/dpa