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Kulturhauptstadt Hermannstadt: Multikulturelle Visitenkarte Rumäniens

4. Januar 2007

Das rumänische Hermannstadt ist Europäische Kulturhauptstadt. Die Stadt in Siebenbürgen wird seit Jahrhunderten vom mulikulturellen Zusammenleben zwischen Rumänen, Deutschen, Ungarn und Roma geprägt. Ein Porträt.

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Rathaus und Katholische Kirche in HermannstadtBild: picture-alliance/dpa

"Das Wunder von Hermannstadt": mit diesen enthusiastischen Worten beschreibt der Schriftsteller Richard Wagner den Glanz der siebenbürgischen Stadt. Ihr Jahr als europäische Kulturhauptstadt soll die Rumänen auf ähnliche Weise beflügeln wie das "Wunder von Bern" die Deutschen bei der Fußball-WM 1954. Kultur und Tourismus für mehr Selbstbewusstsein - kann das funktionieren? Der Anfang ist viel versprechend. Allein der Titel wirkt als Touristenmagnet: Nachdem im Mai 2004 beschlossen wurde, dass Hermannstadt zusammen mit Luxemburg im Jahr 2007 den Titel der Kulturhauptstadt tragen wird, besuchten bereits 2005 doppelt so viele ausländische Touristen wie im Vorjahr die Stadt am Fuße der Karpaten.

Multikulturelle Stadt mit deutschstämmigem Bürgermeister

Der Reiz der Stadt liegt vor allem in ihrer Rolle als Ort des Gleichgewichts zwischen verschiedenen Nationalitäten, betont der rumänische Kulturminister Adrian Iorgulescu: "Hermannstadt ist eine Gegend, in der Rumänen, Deutsche, Ungarn, Roma und andere Völker über Jahrhunderte zusammen gelebt haben, ein multikultureller, interethnischer und interkonfessioneller Raum. Diese Aspekte verleihen der Stadt eine ganz besondere Dimension."

Gebäude am Großen Ring im Hermannstadt
Gebäude am Großen Ring im HermannstadtBild: Stefan Bichler

Multikulturalität ist für Hermannstadt mehr als nur eine politisch korrekte Universalformel. Im 12. Jahrhundert wurde die Stadt von deutschen Siedlern gegründet. Seit damals lebten ihre Nachkommen, die so genannten "Siebenbürger Sachsen", friedlich mit Rumänen, Ungarn, Roma und Juden zusammen. Hermannstadt ist ein Ort der Gelassenheit und Toleranz, aber auch der Neugier. Heute stellt die deutsche Minderheit weniger als zwei Prozent der etwa 170.000 Einwohner Hermannstadts. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs verließen die meisten Deutschen das Land und reisten in die Bundesrepublik aus. Den deutschstämmigen Bürgermeister Klaus Johannis wählte die rumänische Mehrheitsbevölkerung, aber auch Ungarn und Roma stimmten für ihn: 2004 wählten ihn fast 90 Prozent der Hermannstädter. Sie haben allen Grund, mit dem ehemaligen Physiklehrer zufrieden zu sein. Schon seit seiner ersten Amtszeit ab 2000 entwickelte sich Hermannstadt zu einem Magneten für ausländische Investoren, die gesamte Altstadt wurde saniert und der Tourismus blühte auf, besonders mit Blick auf das Jahr als Kulturhauptstadt.

Partnerschaft mit Luxemburg

Zum Erfolg gehört auch ein starker Partner wie Luxemburg, mit dem sich Hermannstadt den Titel der Kulturhauptstadt teilen wird. Die Zusammenarbeit zwischen Hermannstadt und Luxemburg ist kein Zufall. Die deutschen Siedler, die im Mittelalter die Stadt am Fuße der Karpaten gegründet hatten, stammten unter anderem aus der Gegend Luxemburgs. Auch heute lassen sich die gemeinsamen Wurzeln über die sehr ähnlich klingenden Dialekte nachweisen. Doch das Jahr 2007 reicht weit über historische Gemeinsamkeiten und theoretische Diskussionen hinaus. Bürgermeister Klaus Johannis erklärt: "Wir haben mit Luxemburg etwa 30 gemeinsame Projekte entwickelt, und die sind ganz verschieden. Wir wollen damit den Zusammenhalt und die Gemeinsamkeiten zwischen Luxemburg und Hermannstadt aufzeigen, möchten aber auch, dass über diese Projekte zusätzliche gute Beziehungen zwischen Luxemburgern und Hermannstädtern entstehen."

Der Kleine Ring in Hermannstadt
Der Kleine Ring in HermannstadtBild: Stefan Bichler

Freundschaften und kreative Projekte entstanden zum Beispiel zwischen Schülern des deutschsprachigen Brukenthal-Gymnasiums in Hermannstadt und des Gymnasiums aus Diekirch in Luxemburg. Die Jugendlichen zwischen 13 und 19 Jahren präsentieren im Oktober 2007 ihren eigenen Film zum Thema Migration und Interkulturalität. Auch werden die Philharmonie-Orchester von Hermannstadt und Luxemburg gemeinsame Konzerte veranstalten. Im Bereich der Literatur organisieren beide Partner eine Konferenz über die autobiographischen Tendenzen der Gegenwartsliteratur im Osten und Westen. Selbst Nobelpreisträger wie Günter Grass und Imre Kertesz werden bei dieser Gelegenheit die siebenbürgische Stadt besuchen.

Zahlreiche Veranstaltungen

Im Bereich der Religion spielt Hermannstadt im Jahr 2007 ebenfalls eine zentrale Rolle. Hier findet im September die Dritte Europäische Ökumenische Konferenz statt, an der Vertreter der verschiedenen christlichen Konfessionen teilnehmen. Auch Papst Benedikt XVI. ist in die siebenbürgische Stadt eingeladen.

Hermannstadt, europäische Kulturhauptstadt 2007
Sanierte Bürgerhäuser in der AltstadtBild: picture-alliance/dpa

Das Programm für 2007 bietet Events für jeden Geschmack: vom Fest des europäischen Films bis zu Theaterfestivals, einem internationalen Jazzfestival und vielen Open-Air-Veranstaltungen. Bürgermeister Johannis betont: "Wir werden über die sehr vielen, sehr guten Veranstaltungen - über 1000 Events sind schon geplant - sicher eine stark verbesserte Kapazität im Bereich Kulturmanagement in der Stadt erhalten. Die Infrastruktur, die speziell in den letzten zwei Jahren entstanden ist, die Infrastrukturarbeiten, Modernisierung und Restaurierung bleiben der Stadt erhalten. Wir denken, das alles wird für die Stadt einen großen Schritt vorwärts bedeuten."

An den Tagen um Neujahr haben viele Hermannstädter einander einen "guten Rutsch nach Europa" gewünscht. Zwar spürt man hier, dass der Beitritt Rumäniens europaweit weniger Begeisterung auslöst als die EU-Erweiterungsrunde von 2004. Eine Kulturhauptstadt wie Hermannstadt ist aber eine überzeugende Visitenkarte für ganz Rumänien.

Dana Alexandra Sora
DW-RADIO/Rumänisch, 27.12.2006, Fokus Ost-Südost