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Silvio statt Saban?

Ina Rottscheidt8. November 2006

Das Unternehmen Mediaset von Italiens Ex-Ministerpräsident Berlusconi erwägt den Einstieg bei der Senderfamilie ProSiebenSat.1. Deutsche Politiker sind empört, doch sie können ihn kaum daran hindern.

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Italiens Ex-Ministerpräsident Silvio Berlusconis und der amerikanische Medienunternehmer Haim Saban
Silvio statt Saban?Bild: picture-alliance/dpa

"Die Italiener sind besessen vom nacktem Fleisch", stellte unlängst die "New York Times" zur Dauerpräsenz halb nackter Mädchen im italienischen Fernsehen fest, zu denen sich vorzugsweise pöbelnde Quizkandidaten und singende Big-Brother-Teilnehmer gesellen.

Den Einzug solcher Fernsehsitten in Deutschland befürchten Kritiker, falls die Mailänder Mediaset-Gruppe des italienischen Ex-Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi tatsächlich die Mehrheitsanteile an der größten privaten deutschen Sendergruppe, ProSiebenSat.1 kauft. Der deutsche Zuschauer müsse sich "auf einen Kulturschock" gefasst machen, orakelte bereits die italienische Zeitung "La Stampa", italienisches TV sei "Fernsehen, das den Augen und Ohren wehtut."

Ausländische Investoren einschränken

Berlusconi will 50,5 Prozent der Anteile der Mediengruppe erwerben, zu der Sat.1, ProSieben, Kabel 1, N 24 und 9live gehören. Über die Höhe des Angebots gibt es keine Angaben, die Münchner Gruppe wird jedoch mit bis zu fünf Milliarden Euro bewertet. Derzeit hält die Kontrollmehrheit der US-Milliardär Haim Saban, er will sich aber offenbar bis Jahresende von diesen Anteilen trennen.

Deutschen Politikern ist der ehemalige italienische Ministerpräsident als Investor auf dem deutschen TV-Markt nicht willkommen, zu präsent noch sind die Erinnerungen, wie ungeniert der 70-Jährige sein Medienimperium für seine eigenen politischen Ziele eingespannt hatte. Daher sagte der Vorsitzende der SPD-Medienkommission Marc Jan Eumann: "Ausländische Investoren sind uns auf dem Medienmarkt herzlich willkommen, aber sie sollten sich nur mit bis zu 25 Prozent an deutschen Unternehmen beteiligen dürfen." Der medienpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion Wolfgang Börnsen forderte, dass auch bei privaten Fernseh-Anbietern ein Mindestmaß an qualitativ guten und politisch unabhängigen Programmen gewährleistet sein müsse.

Springer war gescheitert

Im Januar 2006 hatte der Axel-Springer-Verlag versucht, die Mehrheit an der ProSiebenSat.1-Gruppe zu übernehmen. Dies war jedoch an einer Ablehnung der Kartellbehörde sowie der Kontrollkommission zur Konzentration im Medienbereich, KEK gescheitert. "Ich finde es entsetzlich, dass Springer als Mehrheitseigner abgelehnt wurde und wir jetzt vielleicht Berlusconi fressen müssen", kritisierte der Direktor der Landesmedienanstalt Rheinland-Pfalz, Manfred Helmes.

Doch aus kartellrechtlicher Sicht wird Berlusconis Einstieg in den deutschen TV-Markt unproblematisch sein, vermutet Hardy Dreier vom Hans-Bredow-Institut für Medienforschung in Hamburg. "Berlusconi ist privater Unternehmer. Wenn er die Anteile von Haim Saban übernimmt, ist das nur ein Austausch von Akteuren." Zwar müssten solche Übernahmen grundsätzlich genehmigt werden, so Irene Sewczyk vom Bundeskartellamt, doch beim Kauf durch Haim Saban konnte die Europäische Kommission auch keine marktbeherrschende Stellung feststellen.

Eine Übernahme durch Berlusconi sei auch nicht ausschließlich negativ zu werten, fügt Dreier hinzu: In Krisenzeiten sei es gut, eine starke Finanzkraft im Rücken zu haben. In der Vergangenheit habe Saban ProSiebenSat.1 saniert und somit Arbeitsplätze gerettet, gibt er zu Bedenken. Wie Saban verfüge auch Berlusconi über das nötige Know-how aus der Branche. "Schlimmer wäre es gewesen, wenn sich Kapitalanleger einkaufen würden: Die zerpflücken solche Unternehmen und verscherbeln sie in Gewinn bringenden Häppchen", so Dreier.

Berlusconis goldene Zeiten sind vorbei

Doch Berlusconis Übernahmepläne sind keineswegs selbstlos: Nach seiner Wahlniederlage im April 2006 bringt jetzt sein Nachfolger Romano Prodi ein neues Mediengesetz auf den Weg: Demnach dürfte ein einzelner Anbieter nur noch 35 Prozent der gesamten italienischen TV-Werbeeinnahmen kassieren dürfen. Für Berlusconi, dessen Unternehmen einen Marktanteil von rund 70 Prozent beherrscht, bedeutet das künftig Mindereinnahmen in Millionenhöhe. Daher weicht er ins Ausland aus.

Dass jedoch in Folge dessen künftig auf den deutschen privaten Kanälen nur noch nacktes Fleisch im italienischen Stil über den Bildschirm hopst, hält Medienökonom Dreier für unwahrscheinlich: Saban habe in der Vergangenheit inhaltlich auch kaum Einfluss genommen "und letztlich entscheidet ja bei beim werbefinanzierten Fernsehen immer Publikum über den Inhalt, in dem es einschaltet oder wegzappt."

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Berliner Hauptsitz des Axel-Springer-KonzernsBild: Picture-Alliance/Agentur
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