1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Neue Millionenforderung an Bundeswehr

10. Juni 2010

Die Bundeswehr akzeptiert wieder Gespräche mit Anwälten der Opfer des Luftangriffs von Kundus. Die renommierte Berliner Kanzlei Geulen schaltet sich ein. 28.000 Euro für jeden Toten seien eine "maßvolle" Forderung.

https://p.dw.com/p/Nmxi
Ein afghanischer Soldat rollt am 5. September 2009 vor einem explodierten Tanklaster in Kundus eine Tonne (Foto: AP)
Nach dem Luftschlag in KundusBild: AP

Das Bundesverteidigungsministerium und Anwälte der beim Luftangriff von Kundus am 4. September 2009 getöteten Zivilisten wollen in der kommenden Woche wieder über Entschädigungszahlungen verhandeln. Das gaben vier Rechtsanwälte der Afghanen am Donnerstag (10.06.2010) in Berlin bekannt. Neuer Gesprächspartner der Regierung ist die Berliner Rechtsanwaltskanzlei Geulen&Klinger.

Die Verhandlungen mit dem aus Afghanistan stammenden Bremer Opfer-Anwalt Karim Popal hatte das Ministerium im April abgebrochen, weil angeblich nicht klar sei, wie viele Opfer Popal tatsächlich vertrete. In der Zwischenzeit hat Popal in Afghanistan wochenlang recherchiert und verfügt nach eigenen Angaben als einziger über eine - allerdings wahrscheinlich immer noch unvollständige - Opferliste.

Rechstanwalt Karim Popal (Foto: DPA)
Der Bremer Anwalt Karim PopalBild: picture alliance / ZB

Es handele sich um 137 Tote und 20 Verletzte, sagte Popal. Über die meisten Opfer existiere eine detaillierte Information und eine Bestätigung durch die Dorfältesten. 476 Hinterbliebene von Getöteten und Verletzte wollten "eine islamische Lösung", sprich eine finanzielle Entschädigung, mit der sie ihre Existenz bestreiten können. Sie hätten den deutschen Anwälten eindeutige Vollmachten erteilt, was mitunter nicht so einfach gewesen sei, weil es sich oft um Analphabeten handele.

Neuer Verhandlungspartner

Popal ist einer der vier Anwälte, sein bisheriges Agieren allerdings umstritten. Laut Bundesverteidigungsministerium hätten sich einige seiner Mandanten von ihm distanziert. Sie wollten Geld und keine Projekte, die Popal angeregt hatte. Diese Absicht, mit der Entschädigungssumme in Millionenhöhe die Entwicklung in der bombardierten Region zu unterstützen, erschien auch der Bundeswehr riskant. Man fürchtete, das Geld könnte in falsche Hände gelangen. In Medienberichten war dem Bremer Juristen außerdem nachgesagt worden, er habe bei Gesprächen in Kundus den internationalen Truppen willkürliche Tötungen unterstellt.

Rechtsanwalt Reiner Geulen (Foto: DPA)
Anwalt Reiner Geulen führt die GesprächeBild: dpa

Popal bestreitet all das, hat aber nun seinem Berliner Kollegen Reiner Geulen die Verhandlungen mit dem Ministerium übertragen. Geulen ist dort kein Unbekannter: Er vertritt von Radarstrahlung geschädigte Soldaten gegen die Bundeswehr und prozessierte jahrelang mit Erfolg gegen sie wegen der Nutzung des Bombodroms in der Kyritz-Ruppiner Heide.

Im Ton verbindlich aber in der Sache hart, betont er den rechtlichen Anspruch der Kundus-Hinterbliebenen auf eine Entschädigung: "Wir verlangen vom Verteidigungsministerium keine Entschuldigung, es kann auch freiwillig gezahlt werden. Aber es muss als Geste den Opfern und ihren Angehörigen eine Entschädigung gezahlt werden."

Geringe Summe nach deutschen Maßstäben

Die geforderte Summe von 28.000 Euro pro Toten sei sehr gering nach deutschen Maßstäben. Sollte es zu keiner Einigung kommen, dann werde geklagt. Dann werde es auch zu einer Beweisaufnahme darüber kommen, dass dieses Bombardement nicht zulässig gewesen sei. Das sei ja inzwischen auch der Standpunkt der Bundesregierung inzwischen, betont Geulen.

"Wir erwarten, dass wir eine Einigung bis Juli erzielen, ansonsten wird geklagt", warnt Geulen. Das Bundesverteidigungsministerium will den Opfern bisher freiwillig insgesamt 400.000 Euro zahlen. Die Forderung der Anwälte geht allerdings in die Millionen. Das Bundesverteidigungsministerium versucht nach eigenen Angaben bereits in direktem Kontakt, die betroffenen Familien zu unterstützen. Ein Rechtsanspruch auf Schadenersatz bestehe aber nicht.

Autor: Bernd Gräßler
Redaktion: Kay-Alexander Scholz