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Kunst, die keiner sehen soll

15. November 2004

Galerie neben Galerie, Miró neben van Gogh, Performances und Installationen – Hanoi scheint eine künstlerische Ader zu haben. Die vietnamesische Staatsführung allerdings hat vor allem mit moderner Kunst ein Problem.

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Hanois Altstadt ist fast mit dem Pariser Montmartre zu verwechseln – eine Galerie neben der anderen, Expressionistisches und Impressionistisches, abstrakte Gemälde und Landschaftsmalerei. Aber der Eindruck von künstlerischer Freiheit täuscht. Denn die Kommunistische Partei (KP) ist nicht sehr tolerant; egal, ob die Kunst aus Vietnam oder aus dem Ausland kommt. Gerade moderne Künstler hat die KP im Visier und betrachtet mit Argwohn ihre Performances und Installationen.

Erst Spinnerei, dann Gefahr

"Am Anfang hat das Regime das als Spinnerei abgetan", sagt der Leiter des Goethe-Instituts in Hanoi, Franz Xaver Augustin. "Dann haben sie festgestellt, dass das ein subversives Potenzial in sich trägt." Also zog das Regime dagegen zu Felde, sagt Augustin: "Moderne Kunst hatte Zulauf, das hat sie nervös gemacht."

Harmlose Werke für die Wohnzimmerwand oder Hotellobby sind der KP egal. Aber Kunst, die aufrütteln will, die spannend ist – da fällt beim vietnamesischen Regime der Vorhang. Das bekommt auch der 28-jährige Pham Ngoc Duong zu spüren.

Sein Atelier liegt versteckt in einer kleinen Gasse, neben einem Markt, wo es geschlachtete Hühner gibt und Obst und Gemüse sich türmen. Pham Ngoc Duong ist Aktionskünstler. Und er weiß, dass er in Vietnam auf begrenztes Interesse stößt: "Die breite Öffentlichkeit hat Angst, sich etwas Neuem zuzuwenden."

Arbeiten ja, ausstellen nein

Duong sagt, es gebe in Hanoi vielleicht zehn ernst zu nehmende Vertreter der modernen Kunst. Die dürften zwar arbeiten – aber ihre Werke nicht zeigen. So wie der 41-jährige Truong Tan. Eines seiner Bilder zeigt einen Mann auf einem Penis, darunter steht: "Was denkst Du?". Das Bild darf er nicht öffentlich aushängen - Sexualität sei in Vietnam tabu.

Wer in Hanoi öffentlich ausstellen will, muss sein Konzept von den Behörden genehmigen lassen. Und die sagen bei moderner Kunst oft Nein, berichtet Duong. Sogar Ausstellungen in Privatwohnungen würden von der Polizei verhindert.

Weder Tan noch Duong können von ihrem künstlerischen Schaffen leben. Sie haben Aushilfsjobs. Tan war Mitte der 1990er-Jahre Dozent an der Kunsthochschule, gab die Stelle aber auf, weil seine Ideen unbeliebt waren.

Baselitz richtig herum

Allerdings ist der vietnamesischen Führung offenbar nicht nur heimische, sondern auch ausländische Kunst ein Dorn im Auge. Im Oktober 2004 wurde das Programmheft zum Kulturangebot während des Asien-Europa-Gipfels in Hanoi eingestampft – der Grund findet sich auf Seite 19: eine Ausstellung des deutschen Malers und Bildhauers Georg Baselitz. Der ist dafür bekannt, dass seine Figuren und Motive auf dem Kopf stehen.

Das erschien den vietnamesischen Chef-Kommunisten als eine Provokation, zumal Baselitz 1956 als Kunststudent in Ostberlin von der Hochschule verwiesen wurde, weil er das kommunistische DDR-Regime nicht mochte. Die Zeitung, die über die Ausstellung berichtete, drehte die Baselitz-Bilder in ihrer Ausgabe kurzerhand um.

Aufschwung bringt Freiheit

Auch der DDR-kritische Kinofilm "Good Bye, Lenin!" durfte beim europäischen Filmfestival in Hanoi nicht auf die Leinwand. Das Goethe-Institut zeigte ihn daraufhin im eigenen Haus, wo man keine Genehmigung brauche, so Augustin.

Pham Ngoc Duong und Truong Tan hoffen derweil, dass es mit der vietnamesischen Wirtschaft weiter bergauf geht und so auch die kulturelle Freiheit Einzug hält. (reh)