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Kunst und Klima

Sabine Oelze16. Februar 2009

Ob Flugticket, Skiurlaub oder Telefonvertrag: ökologisches Bewusstsein dringt in viele Lebensbereiche vor. Nun erforschen auch Künstler die Folgen der Umweltverschmutzung.

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Grasende Schafe
Runde Sache: Olaf NicolaiBild: Galerie EIGEN + ART
Ausstellung Moralische Fantasien
Dicke Luft...Bild: Marilys B. Downey, New York

Eine Frau setzt sich eine Atemmaske auf das Gesicht und holt tief Luft. Links und rechts von ihr tost der Verkehr. "Fresh Air Cart" nannte der US-amerikanische Künstler Gordon Matta-Clark sein Frischluftfahrzeug, mit dem er 1972 Passanten auf der Wall Street in New York saubere Luft anbot. Ein Video dokumentiert diese frühe Performance in der Ausstellung "Moralische Fantasien. Aktuelle Positionen zeitgenössischer Kunst in Zusammenhang mit der Klimaerwärmung" im Schloss Morsbroich in Leverkusen. Gordon Matta-Clarks "Fresh Air Cart" stammt aus den Pioniertagen des künstlerischen Umweltengagements.

Klimawandel = Klimahandel

In einer Zeit, in der Fluggesellschaften mit klimaneutralen Reisen werben und sich Autofahrer mit Klimavignetten Freikilometer kaufen können, beschäftigen sich auch junge Künstler mit dem Umweltproblem. Anna Meyer fragt in ihrer Malerei, was dran ist am Geschäft mit der CO2-Neutralität. "Klimawandel" steht in großen Buchstaben auf einer Plastikfolie, die von der Decke hängt. Bedrohlich und zugleich schaurig-schön überzieht ein Flugzeug den blauen Himmel mit braunen Kondensstreifen. Das W im Wort "Klimawandel" lässt sich auch als H lesen. Damit legt Anna Meyer den Finger in die Wunde, denn die Frage beim boomenden Klimahandel lautet: Ist es fair, dass sich Reisende durch die Zahlung einiger Euro für ihren rücksichtlosen Lebensstil ein gutes Gewissen kaufen können?

Lärmende Flugzeuge, schmelzende Eisberge

Ausstellung Moralische Fantasien
...über und unter den Wolken.Bild: Christoph Keller

Bei genauer Betrachtung lenkt das Kompensieren nur ab vom tatsächlichen Problem. Emissionen mit Zertifikaten zu vertuschen, kann den Eisbergen am schmelzenden Nordpol auch nicht helfen. Auch die Installation "The Whole Earth" weist auf das Ende des blauen Planeten. Sie besteht aus einem Wetterballon, auf den weisse Wolken projiziert werden. Laut lärmen Flugzeuge durchs Bild und machen Schluss mit der Illusion, es gäbe noch irgendwo unberührte Natur.

Olafur Eliassons Fotoserie "360°Crystal Palace" zeigt einen Eisberg, der fragil seiner Zerstörung entgegen treibt. Auf einem Foto des Künstlers Olaf Nicolai grast eine Schafherde inmitten von antiken Bauwerken. Eine trügerische Idylle: Die Tiere befinden sich in einem Park im Zentrum von Rom. In einem Film von Ursula Biemann erzählen Bauern, wie sie für den Bau der kaspischen Öl-Pipeline zum Verkauf ihres Landes getrieben wurden.

Künstler machen mobil fürs Klima

Künstler wollen das Klimaproblem nicht Konzernen und Marketingstrategen überlassen. Sie können mit ihren Arbeiten zwar nur einen kleinen, aber einen nicht zu unterschätzenden Beitrag leisten.

Ausstellung Moralische Fantasien
"Weniger Öl, mehr Mut"Bild: Rirkrit Tiravanija

"Less oil more courage" - diesen Slogan hat Rikrit Tiravanija auf ein T-Shirt gedruckt, eine persönliche Aufforderung, aktiv beim Umweltschutz mitzumachen. Denn - so viel ist sicher - nur Verhaltensänderung rettet Klima. Die Ausstellung in Leverkusen ist Teil einer größeren Bewegung. Immer mehr Kunst- und Kulturschaffende befassen sich mit dem Klimaproblem. Derzeit kooperiert zum Beispiel die Temporäre Kunsthalle Berlin mit dem Bundesumweltministerium. Umweltminister Sigmar Gabriel hat die Schirmherrschaft über die Ausstellung "Under Lime" von Simon Starling übernommen. Der britische Konzeptkünstler erforscht in der Ausstellung Möglichkeiten, neue Energiequellen nutzbar zu machen.

Klimawandel durch Kultur

Noch ein Beispiel: Der Fotograf Spencer Tunick arbeitete mit Greenpeace zusammen, um Nackte auf einem Gletscher bildmächtig in Position zu bringen. Gemeinsam wollten der Künstler und die Umweltorganisation auf die Klimaerwärmung aufmerksam machen. Bei der Firma "Climate Art" können Unternehmen oder Einzelpersonen eine Skulptur kaufen und damit Umwelt-Projekte in den Schwellenländern fördern. Sicherlich ist das Engagement von Künstlern ehrenwert, jedoch geht es meist - wie in der Ausstellung in Leverkusen - nicht über die Aufklärung über bereits bekannte Symptome hinaus. Aber Kunst für das gute Gewissen schadet nicht allzu sehr und vielleicht bestätigt sich die Hoffnung der Umweltorganisation WWF, dass Kultur mehr Klimabewusstsein schaffen kann.