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Kunst im Dienst der Religion

Heinrich Bergstresser21. April 2004

Nigerianische Malerei und Bildhauerei spielt in der afrikanischen Kunst eine führende Rolle. Die Nsukka- und die Oshogbo-Schule haben hier seit den frühen 1960er-Jahren viele erfolgreiche Künstler hervorgebracht.

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Ein Leben mit den Göttern: Susanne WengerBild: presse

Die Stadt Oshogbo im nördlichen Yoruba-Land, drei Autostunden von der Wirtschaftsmetropole Lagos entfernt, entwickelte sich durch die Oshogbo-Schule zu einem Kulturzentrum, das die Kunstwelt verblüffte. "Hund des Teufels" von Twins Seven-Seven vermittelt eine Ahnung von der schöpferischen Kraft, die Anfang der 1960er-Jahre von Oshogbo ausging. Die vielfältigen Mythologien der Yoruba-Kultur, die darin enthaltenen bizarren Gestalten, die Faszination der Dämmerwelt der Waldgeschöpfe und Geister, die ihre eigene Welt zwischen traditioneller Mythologie und der Nüchternheit unserer äußerlichen Realität bewohnen, sprechen eine eigene Sprache. Begriffe wie Schönheit, Form, Stil verblassen dabei fast bis zur Unkenntlichkeit.

Kunst und Religion

Dies ist die eine Seite der Oshogbo-Schule. Die andere, die "New Sacred Art Bewegung", ist auf das engste mit der österreichischen Künstlerin Susanne Wenger verbunden. Die zu Beginn des ersten Weltkriegs in Graz geborene Malerin erhielt von den Nazis Malverbot; ihre Arbeiten fielen unter den Begriff "Entartete Kunst". In den Wirren der Nachkriegszeit landete Susanne Wenger nach einem Zwischenaufenthalt in Paris schließlich 1950 in der britischen Kolonie Nigeria. Was als kreativer Ausflug in eine andere Welt begann, wurde bald ihr Lebensinhalt: Sie verknüpfte Kunst und Religion, indem sie am kultischen Leben der Yoruba teilnahm, ihre Sprache erlernte und in einem mehrjährigen Initiationsprozess schließlich zur Priesterin des Schöpfergottes Obatala avancierte. Das hatte Auswirkungen auf ihre Kunst: "Wir haben unsere Kunst in den Dienst der Religion gestellt, so wie andere Rituale. Und meiner Ansicht nach ist das sowieso mit Kunst so. Kunst ist entweder Ritual oder es ist überhaupt nicht Kunst, sondern nur Spielerei", sagt Wenger.

Magischer Hain

Nach ihrer Initiation begann Susanne Wenger die alte Religion der Yoruba neu zu interpretieren, begann - angeregt durch den großen Yoruba-Priester Layi Olosun - in Oshogbo die zerfallenen Tempel im "Heiligen Hain" der Flussgöttin Oshun wieder aufzubauen und neu zu konzipieren, um der Nachwelt das kulturelle Erbe zu erhalten. Gemeinsam mit Maurern und Tischlern wandelte sie in einem Zeitraum von etwa 20 Jahren die ursprünglich sakrale Kunst um und passte sie den geistig-religiösen Anforderungen der heutigen Zeit an. Immer neue Schreine wuchsen wie gewaltige pflanzliche Wesen aus dem Boden und reckten sich gen Himmel. Hünenhafte Plastiken winden sich wie abgestorbene Bäume in die Höhe. Die Torbögen zu den einzelnen Hainen wirken wie aufgerissene Drachen-Mäuler aus Zement. Wengers kühne Architekturen und Plastiken weichen völlig von den traditionellen Formen der Schreine ab, die schwer und erdnah mit dem Boden verbunden sind.

Bedrohlicher Fundamentalismus

Die alte Religion der Yoruba wird sowohl durch fundamentalistische Strömungen im Christentum als auch im Islam bedroht. Beide monotheistischen Religionen sind im Yoruba-Land tief verankert. Christen und Muslime haben normalerweise keine Probleme, in bestimmten Lebenslagen auch heute noch den traditionellen Gottheiten zu huldigen. Aber der wachsende Fundamentalismus unterminiert die seit Jahrhunderten gelebte religiöse Toleranz der Yoruba-Gesellschaft. Immer wieder versuchen Fanatiker die "Heiligen Haine" zu zerstören. Susanne Wenger, die Grande Dame der nigerianischen Kunst, will trotzdem nicht aufgeben: "Ich wünsche mir, dass die Haine weiterhin existieren können, als religiöse Situation und nicht für den Tourismus onduliert und geschminkt. Und natürlich habe ich auch die Hoffnung, dass ich nicht allzu oft den Zerstörungen zuschauen muss, die die Erosion sowieso mit sich bringt. "