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Kunst in Kasseler Kinos

13. Juli 2002

Es ist erst fünf Jahre her, dass die Bilder auf der Documenta laufen lernten. Kino in den bildkünstlerischen Kanon einzubeziehen, war eine exotische Kuriosität. Dieses Mal spielen Filme in Kassel eine große Rolle.

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Du sollst dir ein Bild machen!Bild: AP

Ein Kinoprogramm mit 25 Produktionen von 15 Künstlern begleitet die 11. Weltkunstausstellung, in deren Ausstellungsräumen Video- und Filmarbeiten ohnehin auffallend stark vertreten sind. Documenta-Chef Okwui Enwezor wählte für die bewusst politisch konzipierte Ausstellung Filme aus, die unter anderem die Krise nach dem Ende des Kolonianismus in der Dritten Welt dokumentieren.

Focus Dritte Welt

Als "Bestandsaufnahme von Wirklichkeit" bezeichnet der Kurator den dokumentarischen Schwerpunkt der von ihm konzipierten Mammutschau. Im Mittelpunkt stehe die Frage, wie mit den Verwerfungen in Folge des Imperialismus umgegangen werde, der kulturelle, soziale und wirtschaftliche Strukturen zerstört habe. Als erster Nichteuropäer an der Spitze der Documenta will der aus Nigeria stammende Enwezor die Aufmerksamkeit stärker auf die bislang vernachlässigte nichtwestliche Welt lenken.

Mit der Lage in Indien befasst sich der Film "A Night of Prophecy" von Amar Kanwar, der in Kassel seine Weltpremiere hatte. Der 1964 in Neu Delhi geborene Dokumentarfilmer bedient sich der Poesie, um ein Klagelied über Ausbeutung, Unterdrückung und Unfreiheit anzustimmen. Von Kanwar in verschiedenen Regionen Indiens aufgesuchte Menschen singen oder rezitieren die Verse, die sich mit unerfüllten Wünschen, Armut, dem Kastenwesen sowie mit dem Kampf um Freiheit, Identität und ein Heimatland befassen. "Die Probleme müssen offen gelegt und angegangen werden", sagte der Künstler zu seinem 73-minütigen Werk.

Ob der mit seiner kraftvollen Lyrik beeindruckende Film Kanwars dem westlichen Betrachter das Schicksal Indiens im vollen Umfang näher bringen kann, ist zumindest hinsichtlich der Sprachproblematik zweifelhaft. Die Übersetzung für die englischen Untertitel sei sehr problematisch gewesen, sagte der Filmemacher. Von vielen gleichermaßen zutreffenden Übersetzungen habe jeweils nur eine Version gewählt werden können. Schablonenhaft und platt wirkt daher zum Teil der englische Text, der einige Premierenzuschauer sogar zum Lachen brachte.

Kino und Kunst als Einheit

Wie der Inder treten auch fast alle anderen Documenta-Filmemacher mit Arbeiten für das Kino wie auch für die Ausstellung selbst auf. Während es bei früheren documenta-Ausstellungen darum ging, den Film als künstlerische Gattung überhaupt einzuführen, haben sich inzwischen Ausstellungspräsentation und das Kinoformat gleichermaßen etabliert. Dabei sind die auf der Documenta11 gezeigten Filme nicht nur Kunstwerke, sondern dokumentieren zugleich den gesellschaftskritischen Anspruch der Ausstellung.

Als zweite Welturaufführung wurde im Rahmen des documenta-Filmprogramms der palästinensische Film "Ticket to Jerusalem" von Rashid Masharawi präsentiert. Der Spielfilm zeigt die beschwerliche Reise eines Filmvorführers durch die besetzten palästinensischen Gebiete nach Jerusalem.

Deutsche Erstaufführungen sind der Film "Atanarjuat" über die Inuit-Ureinwohner in Kanada und der Streifen "The Other Side" von Chantal Akerman zum Elend in der Grenzregion zwischen Mexiko und den USA. (dpa/kas)