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Choreografie im Kunstkontext

14. Februar 2011

Manche Kunstwerke passen nicht in einen Rahmen oder auf einen Sockel. Sie sind flüchtig wie ein Tänzchen. Das Haus der Kunst in München zeigt das Wechselspiel von bildender Kunst und Choreographie.

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Photo © Hugo Glendinning
Franz West, Ion, 2010 Performed von Ivo DimchevBild: Hugo Glendinning

Das Haus der Kunst gleicht einer Turnhalle. Bänder, Boxsäcke, Seile, Wippen, Ballons oder Reifen rufen zum Mitmachen auf. Erst durch Akteure werden sie zu Kunstinstallationen. Manchmal sind es die Besucher, die entscheiden, ob sie ein Werk quasi durch ihre Intervention vollenden. Bei anderen Skulpturen sind eigens dafür engagierte Darsteller während der Öffnungszeiten damit beschäftigt, die Skulpturen und Objekte zum Leben zu erwecken. Sie setzen Bewegungsanweisungen und Choreografien um, oft sparsam, nur mit ein paar Blicken, Gesten und Bewegungen.

William Forsythe's Ringinstallation. Foto: Renate Heilmeier
William Forsythe's RinginstallationBild: Renate Heilmeier

"Ich wollte zeigen, was über eine reine Zusammenarbeit von Künstlern und Choreografen hinausgeht. Es gibt all die berühmten Kollaborationen wie zwischen Rauschenberg und Cunningham. Aber interessant war für mich der Dialog zwischen Künstlern und Tänzern", erkärt die Ausstellungskuratorin Stephanie Rosenthal.

Kleine Tanzkonstruktionen und große Gesten

Die 1935 geborene Choreografin Simone Forti hat mehrere ihrer "dance constructions", wie sie ihre kleinen Performances nennt, eingebracht. "Für Tänzer ist es eher eine Körpererfahrung als eine ästhetische Erfahrung - aber selbst die Leute, die nur zuschauen, bekommen dabei eine physische Wahrnehmung", meint Forti. Ihre Tanzanleitung zu "Huddle": Neun Leute klammern sich aneinander, bilden einen Berg und über diesen Menschenberg muss dann je einer der Akteure hinwegsteigen. Ein Körpererlebnis, das in der Ausstellung immer wieder auftaucht. Egal ob aktiv oder passiv. Bei einigen Arbeiten sind es aber die Betrachter, die sich entscheiden müssen: Zuschauen oder mitmachen. Bruce Nauman schuf einen beklemmend engen Korridor aus grünem Licht. Doch die meisten kommen der Aufforderung nicht nach. Schön ist das Werk auch mit Sicherheitsabstand.

Ausprobieren oder Stöbern im Archiv

Frau mit Hula Hoop Reifen Foto: Christian Jankowski
Christian Jankowski macht es möglich: Hula Hoop für alleBild: Christian Jankowski

William Forsythe beherrscht die Bereiche Tanz und Kunst virtuos. Er lässt mit "The Fact of Matter" die Besucher förmlich abheben – in einer Konstruktion aus an Seilen hängenden Ringen. Raumdurchquerung ohne Bodenberührung: das Experiment passt gut hinein in eine Ausstellung, die versucht, so viel wie möglich "live" zu vermitteln. Gleichzeitig wird aber auch ein riesiges Archiv auf Bildschirmen angeboten. Natürlich braucht eine Kunstausstellung zum Thema Bewegung eine besondere Präsentation. Das umfassende Archiv ergänzt individuell die Installationen im Ausstellungsraum. Hier haben Querverweise und Erklärungen ebenso Platz wie Videos mit all den Arbeiten, in denen die Bewegung von Menschen Teil des Werks ist. Eine Choreografie im weitesten Sinne – und durchaus mit Unterhaltungscharakter. Nicht nur Grace Jones lässt während ihrer Auftritte minutenlang einen Hula Hoop Reifen um die Taille kreisen. Auch im Haus der Kunst darf sich jeder Zuschauer einen solchen Reifen schnappen und zu Musik und Videoprojektion selbst die Hüften schwingen.

Autor: Renate Heilmeier

Redaktion: Klaus Gehrke