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Kunst, Kommerz und Börsenflaute

Andreas Becker2. November 2002

In Köln findet zum 36. Mal die Art Cologne, Deutschlands wichtigste Kunstmesse, statt. Dabei geht es vor allem auch um den schnöden Mammon.

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Michael Schumacher als Kunstobjekt, gesehen auf der Art Cologne 2002Bild: AP

Die Wirtschaft lahmt, die Aktienkurse stehen im Keller, und besonders in Deutschland klagen die Händler über die fehlende Kauflust der Konsumenten. Vor diesem Hintergrund findet in Köln zum 36. Mal eine Messe statt, die zu den weltweit wichtigsten Märkten für Kunst zählt: die Art Cologne. Vom 30. Oktober bis zum 3. November zeigen Galeristen aus 22 Ländern ihre Waren, d.h. Kunstwerke der klassischen Moderne bis heute.

Die Kunstszene gibt sich verschwiegen, wenn es ums Geld geht. Rund 2,5 Milliarden Euro sollen in Deutschland jährlich für Kunst ausgegeben werden, so eine Schätzung, aber bestätigen oder dementieren will diese Zahl niemand. Auch darüber, wieviel Umsatz auf der Art Cologne gemacht wird, schweigt die Messeleitung. Bernd Aufderheide ist Geschäftsführer der KölnMesse GmbH:

"Mit dem Umsatz ist das ja immer so eine Sache. Wenn jemand vor die Frage gestellt wird, wieviel hast du denn umgesetzt, dann ist das so ähnlich wie die Frage: Wieviel verdienen Sie denn im Monat. Das ist gerade bei uns in Deutschland so eine Frage, der man doch eher ausweicht und die man gar nicht so gerne gestellt bekommt, anders als in den USA, wo jeder viel offener damit ist. Wir arbeiten hier mit der Diskretion, dass wir nicht von unseren Ausstellern verlangen, uns zu eröffnen, was sie hier umsetzen."

Am Ende jeder Messe werden meist einige Highlights bekannt, etwa wenn ein Kunstwerk für einen Millionenbetrag den Besitzer gewechselt hat. Generell scheint man aber ungern öffentlich über Zahlen reden zu wollen. Immerhin geben sich die Kunsthändler, ganz im Gegensatz zu anderen Branchen, im Moment vorsichtig optimistisch. Denn Galeristen wie Karsten Greve sind überzeugt, dass es einen Zusammenhang gibt zwischen der Situation an der Börse und der auf dem Kunstmarkt:

"Wir haben in 30 Jahren erlebt, dass wir nach Börsenabstürzen zwei Jahre einen sehr guten Kunstmarkt hatten. Wenn Sie sich zum Beispiel 1987 anschauen, wo wir einen Börsencrash hatten von 30 bis 40 Prozent in kurzer Zeit, da hatten wir ab 1988 einen unglaublichen Boom im Kunstmarkt weltweit. Von 1991 bis 1999 hatten wir viele Jahre eine Börse, die nur noch nach oben ging. Der Kunstmarkt ging lange nicht mit hoch, aber als die Börse dann einbrach, ist der Kunstmarkt hochgegangen. Wir haben also im Grunde wieder das gleiche Phänomen, und die Frage ist jetzt, wie lange das anhält."

Im Frühjahr sei die Situation auf der wichtigen schweizer Kunstmesse Art Basel unausgewogen gewesen, so Greve. Viele Galeristen hätten dort zwar hervorragende Geschäfte gemacht. Für andere sei die Messe aber katastrophal schlecht gelaufen. Eine Trendwende mag Greve darin noch nicht sehen. Er hofft vielmehr, dass kaufkräftige Kunden aus dem nahen Ausland, aus Belgien, Luxemburg, der Schweiz und Holland der Art Cologne auch dann zu einem Erfolg verhelfen, wenn sich die Deutschen beim Kunstkauf ähnlich zurückhalten sollten wie derzeit beim Geldausgeben insgesamt. Allerdings verweist er auf den Standortvorteil der Kölner Messe: Im Rheinland mit seinen vielen Industriellenfamilien habe das Sammeln von exklusiver Kunst eine Jahrhunderte lange Tradition.

Im Gegensatz zu Industriemessen, die ihre Bedeutung gerne mit einer möglichst großen Zahl an Ausstellern belegen, geht die Entwicklung auf Kunstmessen in die umgekehrte Richtung. Vor fünf Jahren waren auf der Art Cologne noch 380 Galerien vertreten, jetzt sind es nur noch 260. Wenn es nach Karsten Greve geht, wird die Zahl der Aussteller weiter schrumpfen:

"Alle Teilnehmer der Messe hoffen selbstverständlich, dass die Messe erfolgreich ist. Es ist nicht der Witz einer Teilnahme, dass man teilnimmt, sondern dass man erfolgreich teilnimmt. Und ich denke, dass wir mit diesem Ziel, eine Messe zu haben, die sich vielleicht mit 220-240 Galerien präsentiert, die optimale Zahl haben werden. Das ist keine Erfindung aus Köln; sie konnten das auch bei der letzten Kunstmesse FIAC in Paris beobachten, wo es einen dramatischen Einschnitt gab, wo eine Reduzierung von 30 Prozent von einem Jahr zum anderen stattfand. Wir haben einfach das Phänomen, dass es gar nicht so viel wichtige und gute Kunst gibt, die auf einer international bedeutsamen Messe gezeigt werden könnte."

Karsten Greve ist nicht nur Kölner Galerist und selbst Aussteller auf der Messe, sondern auch Sprecher des achtköpfigen Zulassungs-Ausschusses der Art Cologne. Der entscheidet jedes Jahr neu darüber, welche Kunst wichtig und gut genug ist. Mit anderen Worten: welche Galerie auf der Art Cologne ausstellen darf und somit die Chance bekommt, sich einen Teil vom großen Kuchen abzuschneiden. Weil es jedes Jahr weit mehr Bewerber gibt als Zulassungen, gehören die Streitereien um die Auswahl zur Routine: Sprechen die einen von mangelnder Qualität potentieller Ausstellungstücke, so wird den Qualitätswächtern wiederum Vetternwirtschaft vorgehalten. Davon unbeirrt beharrt Sprecher Greve darauf, dass nur eine kleine Messe eine feine Messe sein kann:

"Wir müssen mit der Aufnahmefähigkeit im visuellen Bereich rechnen. Jeder kann das nachvollziehen. Wenn Sie in ein Museum gehen, wie lange sind Sie wirklich fähig, sich alles anzugucken? Und wollen ja hier auch noch etwas verkaufen. Wir wollen also nicht, dass Sie sich totmüde nach Hause schleichen, sondern auch noch Freude haben, etwas mit nach Hause zu nehmen."