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Kunst statt Business

16. Juli 2009

Abseits der großen Galerien stehen sie - kleine Galerien und Kunsträume. Fernab des Establishments ist die Keimzelle der Avantgarde-Kunst. Wir stellen deren Macher vor. Zum Beispiel: Jagla.

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Ulrike Jagla-Blankenburg und Tom Lingnau sitzen auf dem Tisch und halten Dialoge (Foto: Matthias Mayr)
Die Macher von Jagla im Dialog auf und mit einem TischBild: DW

Ein Besuch des Jagla Ausstellungsraums beginnt wie eine Wohnungsbesichtigung. Der palazzoartige Altbau in der Kölner Nordstadt liegt an der vielbefahrenen Ringstraße.

Das Café im Erdgeschoß und das kleine Kino nebenan sind zwei traditionsreiche Ausgehlocations. Doch nirgendwo ein Hinweis auf einen Raum für Kunst. Auch im Café weiß man nichts von so einem Ort. Nur auf einem kleinen Klingelschild steht "Jagla" als ein Name unter vielen. Im ersten Stock begrüßen die zwei Ausstellungsmacher die Besucher und bitten hinein in einen alten Wohnungsflur. Doch hier wohnt schon lange keiner mehr. Das bürgerliche Domizil auf der Belle Etage hat sich mittlerweile zu einem Atelier- und Projektkonglomerat gewandelt. Am Ende des langen Flurs befindet sich die Tür zum Jagla Ausstellungsraum.

Ort der Unruhe

Ein kleines Klingelschild weist den Weg zur Kunst. (Foto: Matthias Mayr)
Nur für Eingeweihte: Der Jagla-AusstellungsraumBild: DW

Der kleine quadratische Raum ist fast ein perfekter White-Cube. Wäre da nicht die Wand mit den zwei großen Fenstern zur Straße hin, die Flügeltür zum Nachbarszimmer und die holzfarbene Stuckdecke, die dem Ort seine Neutralität nehmen: "Die Künstler müssen automatisch mit diesen Handicaps des Raums arbeiten und das fanden wir so spannend". Als Tom Lignau und Ulrike Jagla-Blankenburg im Mai letzten Jahres nach einem passenden Ort für Ausstellungen gesucht haben, waren sie sich schnell einig: Das ist er.

Beide haben die 40 überschritten und sind keine Frischlinge mehr im Kunstbetrieb. Lingnau kommt von der Fotografie und hat lange Zeit als Galerieassistent gearbeitet, Jagla-Blankenburg hat bei Ausstellungskonzeptionen mitgeholfen und vor allem über Kunst geschrieben. Vor knapp einem Jahr haben sie sich in der Kunstszene getroffen und fanden, dass sie mit ihrem unterschiedlichen Hintergrund ein gutes Team sind. Beide verband der Traum, endlich eigene Ausstellungen zu organisieren.

Blick von Außen auf Kino, Café und den Jagla-Ausstellungsraum. (Foto: Matthias Mayr)
Kunst, Kaffee und KinoBild: DW

Alle Entscheidungen gemeinsam treffen

Jetzt öffnet Jagla zum sechsten Mal die Türen. Diesmal bespielen Kunststudenten von der Akademie Düsseldorf die Wände mit Zeichnungen und Malerei. Jeder ist mit mehreren Arbeiten vertreten. Dabei zeigt sich ein interessanter Einblick in die Suche nach dem eigenen Ausdruck junger Nachwuchskünstler. Die Macher von Jagla verstehen sich aber nicht als reine Plattform für junge Künstler. Sie zeigen auch etablierte Positionen, wie etwa den 1951 geborenen Horst Münch, der in ihrer ersten Ausstellung zusammen mit Katharina Jahnke zu sehen war. "Es geht uns immer um den Dialog - den zwischen den Künstlern, zwischen den Arbeiten, zwischen der Kunst und dem Raum“, so die Philosophie der Ausstellungsmacher, die alle Entscheidungen gemeinsam treffen.

Jagla haben einen Kunstplan

Jagla wollen nicht Teil der hippen jungen Kunstszene sein, sondern sind um eine ernsthafte Auseinandersetzung mit zeitgenössischer Kunst bemüht. Dabei legen sie viel Wert darauf, ihre kuratorische Freiheit nicht aus der Hand zu geben: "Wir wollen kein Programm, dass von jemand anderem abgesegnet wird, sondern uns eine gewisse unprätentiöse Entscheidungsfreiheit leisten", erklärt Ulrike Jagla-Blankenburg den Verzicht, sich von öffentlichen Geldern unterstützen zu lassen. So stemmen sie alle anfallenden Arbeiten und die Unkosten für Material, Miete und Künstlerbetreuung vor allem aus ihrer Privatkasse. Es wird aber auch kein Hehl daraus gemacht, dass die ausgestellten Arbeiten größtenteils zum Verkauf stehen: "Das kommt vor allem dem Künstler und der Weiterführung des Jagla-Raums zugute", betont Lignau und beschreibt die aktuelle Situation folgendermaßen: "Wir versuchen, zumindest plus minus Null herauszukommen". Jagla will keine professionelle Galerie sein. Das belegt schon der Umstand, dass es keinen festen Künstlerstamm gibt, der Raum nur an wenigen Tagen in der Woche geöffnet ist und sie nicht auf Messen gehen. In eigenen Worten sagt Ulrike Jagla-Blankenburg, deren Mädchenname auch Pate für den Namen des Projekts steht: "Wir haben einen Kunstplan, keinen Businessplan".

Keine Laufkundschaft

Der Künstler Timo Seber stellt eine fünfte Wand in den Raum. (Foto: Matthias Mayr)
Installationsansicht "Dear Tonya" von Timo Seber, 2009Bild: DW

Ihre Einladungen laufen über verschiedene befreundete Verteiler und so ist das Publikum auch sehr durchmischt. "Es gibt eigentlich keine Laufkundschaft und man muss schon wissen, wo man hin will“, sagt Tom Lingnau. Gerade auch weil kein großes Schaufenster auf den Kunstraum verweist. Trotzdem hat man nicht das Gefühl, hier an einen elitären Tempel der Kunst anzuklopfen. Dazu versprüht der Raum viel zu viel private Atmosphäre: "Wir haben hier noch keinen erlebt, der rein kam und ohne ein Wort zu wechseln wieder gegangen wäre“, freut sich Ulrike Jagla-Blankenburg über das rege Publikum.

Jagla sind Netzwerker

Auch wenn die beiden Kuratoren ihr Geld mit anderen Jobs verdienen, handelt es sich bei Jagla nicht um ein Spaßprojekt gelangweilter Großstädter. Man spürt im Gespräch mit den beiden ihre Ambitionen und Leidenschaft für die Kunst und das Ausstellungsmachen. Gerne vernetzen sie sich mit anderen Projekträumen aus der Umgebung, die immer zahlreicher das urbane, doch von der Kunstszene bislang umgangene Viertel um den Ebertplatz beleben. Zurzeit läuft eine Kooperation mit dem Filmclub A61 in der nebenan gelegenen "Filmpalette“, einem der letzten kleinen Programmkinos Kölns. Dort zeigt in unregelmäßigen Abständen ein Künstler eine eigene filmische Arbeit zusammen mit einem Film seiner Wahl. Solche Aktionen schaffen einen Nährboden. In Jaglas Nachbarschaft sind Menschen am Werk, die sich nicht am großen Kunstmarkt orientierten und dabei die Kulturszene Kölns mit ihren vielen Dialogen anschubsen.

Autor: Matthias Mayr

Redaktion: Elena Singer