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Gefahr Bundeswehr?

Mathias Bölinger11. Oktober 2007

Vor der Abstimmung im Bundestag über den Einsatz in Afghanistan fordern Hilfsorganisationen, dass die Bundeswehr zu rein militärischen Aufgaben zurückkehren solle - ansonsten sei sie eine Gefahr.

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Bessere Soldaten als Helfer?Bild: AP

Blasmusik gehört eigentlich in den Gebäuden des Bundestags nicht zum Begleitprogramm von Ausstellungseröffnungen. Im Foyer des Berliner Paul-Löbe-Hauses, in dem viele Abgeordnete ihre Büros haben, sind seit dem 8. Oktober Afghanistan-Bilder des Fotografen Helmut Schulze zu sehen. Zu dieser Eröffnung schickte die Bundeswehr eigens Mitglieder ihres Stabsmusikkorps. "Die Bundeswehr im Einsatz für den Frieden" lautet der Titel der Ausstellung. Und niemand behauptet, dass es Zufall sei, dass die Ausstellung in der Woche der Afghanistan-Abstimmung im Bundestag eröffnet wird.

Bundesverteidigungsminister Franz Josef Jung, Gerda Hasselfeldt und Helmut Schulze vor den Bildern aus Afghanistan. Quelle: dpa
Jung: "Sehen, warum der Bundeswehreinsatz lohnt"Bild: picture alliance/dpa

"Jeder einzelne Abgeordnete, der am Freitag (12.10.) über das ISAF-Mandat zusammen mit dem Tornado-Mandat abstimmen wird, kann auf diesen Bildern sehen, warum es sich lohnt, in Afghanistan für Frieden und Stabilität einzutreten", erklärte Verteidigungsminister Franz Josef Jung zur Eröffnung.

Gefahr für die Hilfsorganisationen?

Neben schroffen Landschaften und bärtigen Männern zeigen die Fotos Bundeswehrärzte, die Kinder behandeln und Soldaten, die freundlich mit in Burkas gehüllten Frauen sprechen: Soldaten arbeiten in Afghanistan auch als Wiederaufbauhelfer und sind gemeinsam mit den zivilen Entwicklungshelfern der Bundesregierung in so genannten Wiederaufbauteams unterwegs.

Genau das kritisieren deutsche Hilfsorganisationen. Keine hundert Meter von der Fotoausstellung entfernt, in den Räumen der Bundespressekonferenz, machen sie diese Strategie dafür verantwortlich, dass es für sie immer gefährlicher werde, in Afghanistan zu arbeiten, wie Jürgen Lieser vom Verband Entwicklungspolitik deutscher Nichtregierungsorganisationen formuliert. Die Tatsache, dass Angehörige der Streitkräfte in Zivil aufgetreten seien und sich auch in zivilen Fahrzeugen bewegt hätten, habe dazu geführt, dass auch äußerlich nicht mehr unterscheidbar sei, wer zum Militär und wer zu den zivilen Aufbauhelfern gehöre. "Früher war das ein Schutz, dass man als Hilfsorganisation erkennbar war, heute ist es das nicht mehr."

Bundeswehr nur zur militärischen Sicherung?

Ein Soldat mit Waffe vor einem Militärfahrzeug der ISAF, Quelle: AP
Deutsche Soldaten in Afghanistan: Nur noch militärische Aufgaben?Bild: AP

Mehrere Organisationen, darunter die Caritas und die Welthungerhilfe, fordern deshalb vor der Abstimmung eine Wende in der Afghanistan-Politik. Sie seien nicht gegen eine Verlängerung des ISAF-Mandats, betont Lieser, aber die ISAF-Verbände sollten sich zukünftig ausschließlich auf ihre Kernaufgabe, die militärische Friedenssicherung konzentrieren, und den Wiederaufbau zivilen Akteuren überlassen. "Daher sagen wir: Keine humanitäre Hilfe und keine zivile Aufbauhilfe durch Militärs", so Liesers Forderung.

Reinhold Robbe, Bundeswehrbeauftragter des Parlaments, meint hingegen: "Es gibt keinen zivilen Wiederaufbau in Afghanistan, wenn es nicht die militärische Absicherung dessen gibt, was die Aufbauteams dort leisten." Beides gehöre zusammen, beides mache Sinn und es sei bisher von Erfolg gekennzeichnet gewesen, sagt er.

Zusammenlegung auf Kosten der Aufbauhilfe

Genau den Erfolg bezweifeln die Hilfsorganisationen. Sie kritisieren auch, dass die Zusammenlegung von Militäreinsatz und zivilem Aufbau auf Kosten der Aufbauhilfe gehe. 530 Millionen Euro werde der militärische Einsatz, also ISAF plus Tornados, im Jahr 2007 kosten, berichtet Lieser. Für den zivilen Aufbau seien nur 100 Millionen vorgesehen.

Auf diese Zahlen allerdings werden die Abgeordneten keinen Einfluss haben, wenn sie am Freitag (12.10.2007) vor der Frage stehen, ob sie den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan um ein weiteres Jahr verlängern wollen.