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Kurswechsel der Staatspresse

21. Februar 2011

Bis zuletzt hat Ägyptens Staatspresse dem Mubarak-Regime die Treue gehalten. Doch mit dem Rücktritt der Regierung hat sie einen erstaunlichen Wandel vollzogen. Kann die Presse so das Vertrauen der Ägypter zurückgewinnen?

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"Das Volk hat das Regime entmachtet" - titelt diese ägyptische Zeitung (Foto:ap)
"Das Volk hat das Regime entmachtet" - titelt diese ägyptische ZeitungBild: AP

Bis zum Rücktritt Hosni Mubaraks am 11. Februar galt die ägyptische Tageszeitung Al-Ahram noch als Sprachrohr der Regierung. In dieser Funktion versuchte sie zunächst, die Protestbewegung im Lande zu vertuschen. Als dies nicht länger möglich war, bezeichnete sie die friedlichen Demonstranten als eine "kindische Minderheit von Kollaborateuren mit ausländischer Agenda". Das Ausland gebe jenen Leuten Geld und warme Mahlzeiten, damit sie auf dem Tahrir-Platz blieben, verlautbarte die Zeitung. Doch nachdem Mubarak dann zurückgetreten war, titelte sie: "Das Volk hat das Regime gestürzt". Seither hat sich der Tonfall gegenüber dem vormals ersten Mann im Staat geändert: Der "demokratische Präsident" ist zum "Diktator" geworden.

Verständnis für den Sinneswandel

Amtliche Zeitungen nach Mubarak an einem Zeitungskiosk in Kairo (Foto:DW/Samir Grees)
Amtliche Zeitungen nach Mubarak an einem Zeitungskiosk in KairoBild: DW

Während der plötzliche Kurswechsel des Blattes vielen Ägyptern heuchlerisch erscheint, zeigt der Journalist Ibrahim Mansour Verständnis für seine Kollegen. Der langjährige Mitarbeiter der privaten Zeitung Ad-Dustur gibt zu Bedenken, dass das Regime über Jahre hinweg die Schlüsselpositionen bei Al-Ahram mit seinen Gefolgsleuten besetzt hat. "Das Regime hat diesen Leuten gewaltige Summen bezahlt", erklärt Mansour. Und die hätten Al-Ahram und die übrigen Regierungszeitungen, die ursprünglich in Volkseigentum gestanden hatten, linientreu gemacht. Der Chefredakteur und der Verwaltungschef von Al-Ahram sollen monatlich über 170.000 US-Dollar für ihre Loyalität erhalten haben, so Mansour. Und das Blatt sei kein Einzelfall. Mubarak habe die Medien genauso als Werkzeug für seinen Machterhalt betrachtet wie die Armee, sagt der Journalist.

Jetzt, da das Regime gestürzt worden ist, scheint sich ein Machtwechsel bei Al-Ahram zu vollziehen. Denn auch viele Journalisten haben unter der dem Druck der Diktatur gelitten, sagt Abd Al-Azim Hammad, ein Redaktionsleiter bei Al-Ahram. Er begrüßt den politischen Wandel in Ägypten. Seit über zehn Jahren hätten er und seine Kollegen darauf gehofft. Denn die ägyptische Presse habe in der Ära Mubarak stark unter den engen Restriktionen gelitten. "Wir haben nicht alle mit dem Regime kollaboriert", betont Hammad, "die Kollaborateure waren allein die Chefredakteure, die vom Regime selbst eingesetzt wurden. Viele Journalisten hingegen lehnten das Regime ab."

Ungeahnte Freiräume für Ägyptens Journalisten

Ägyptische Journalisten umlagern Oppositionsführer Mohamed El Baradei (Foto:ap)
Ägyptische Journalisten umlagern Oppositionsführer Mohamed El BaradeiBild: AP

Jetzt hofft Hammad auf bessere Arbeitsbedingungen für die Presse, die sich seit dem Sturz der Regierung freier äußert denn je. Auch Al-Ahram versucht, mit einer Neupositionierung wieder an Glaubwürdigkeit bei den Menschen zu gewinnen. Doch das Volk habe sein Vertrauen in die nationalen Medien schon seit langem verloren, sagt Ibrahim Mansour, der auch viele Jahre in der ägyptischen Journalistengewerkschaft tätig war. Dennoch sei es möglich, dieses schrittweise wiederzuerlangen – mit demokratischen Mitteln: Dafür müsse eine Redakteursversammlung gewählt werden, die den Chefredakteur wählt. Gleichzeitig müsse die Absetzung derer erfolgen, die das Blatt derzeit kontrollieren. Nur so, glaubt Mansour, könne das Vertrauen in Zeitungen wie Al-Ahram erneut hergestellt werden.

Die ersten Schritte seien bereits getan, beteuert Abd Azim-Hammad von Al-Ahram. Die Kollaborateure des gestürzten Regimes stünden auf der schwarzen Liste der Demonstranten und seien innerhalb der Redaktion bereits weitestgehend isoliert worden. In Zukunft sollen sie auf die Berichterstattung keinen Einfluss mehr ausüben können. Ob die ägyptischen Medien zukünftig ihrem gesellschaftlichen Auftrag von Kritik und Kontrolle der Politik nachgehen könnten, hänge jedoch stark von der politischen Entwicklung des Landes ab, so Hammad. Er und sein Kollege Ibrahim Mansour geben sich diesbezüglich zunächst eher abwartend als euphorisch.

Autor: Patrick Brooks
Redaktion: Maja Braun/Thomas Latschan