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Kutschma für Wahlwiederholung

30. November 2004

In der Ukraine werden Neuwahlen immer wahrscheinlicher. Der amtierende Staatschef Leonid Kutschma sprach sich für eine Wiederholung der umstrittenen Präsidentschaftswahl aus.

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Offenbar zum Einlenken bereit: Kutschma und JanukowitschBild: AP

Neuwahlen könnten der einzige Weg sein, um die gegenwärtige Krise zu überwinden, sagte Leonid Kutschma nach einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Interfax. "Wenn wir wirklich Frieden und Eintracht erhalten wollen, wenn wir wirklich einen demokratischen Staat aufbauen, dann lasst uns Neuwahlen abhalten", wurde er zitiert. Die Ukraine brauche einen "rechtmäßigen Präsidenten".

Angesichts der rechtlichen Schwierigkeiten, die umstrittene Präsidentenstichwahl vom 21. November zu wiederholen, riet Kutschma zu Pragmatismus. "Wir sollten heute nicht nur auf rein rechtlichem, sondern auf rechtlich-politischem Feld arbeiten", erklärte er. Der politische Kompromiss könnte in eine "Verfassungsvereinbarung, die vom Parlament verabschiedet wird", münden.

Als andere Möglichkeit nannte Kutschma eine Neuauszählung der Wahl in den ostukrainischen Gebieten Donezk und Lugansk, wo nach Auffassung der Opposition besonders eklatant gefälscht worden war.

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Gericht berät weiter


Ukraine Oberstes Gericht in Kiew beriet über Wahl
Das Oberste Gericht in Kiew berät weiterBild: AP

Das Oberste Gericht der Ukraine beriet am Montag (29.11.) über die Wahl, ohne ein Urteil zu fällen. Die Richter unter Vorsitz von Anatoli Jarema ließen sich ausführlich die Wahlbetrugsbeschwerden aus dem Lager von Oppositionsführer Viktor Juschtschenko vortragen. Bis zu einem Spruch könnten auf diese Weise mehrere Wochen vergehen, sagten Verfahrensbeteiligte. Als Zeichen einer neuen Offenheit wurde die Sitzung des Gerichts auf mehreren Fernsehkanälen live übertragen.

Viktor Janukowitsch erklärte sich ebenfalls zu einer Wiederholung der Stichwahl bereit, falls der Vorwurf des Wahlbetrugs bewiesen werde. Rückendeckung erhielt die Opposition außerdem von Janukowitschs Wahlkampfmanager: Serhij Tyhypko, der Präsident der ukrainischen Zentralbank, sprach sich Medienberichten zufolge für eine Wiederholung der Wahl in zumindest einigen Bezirken aus. "Wir brauchen eine Neuwahl und wir brauchen sie bald", zitierte ihn die Nachrichtenagentur Unian. Außerdem soll er die Massendemonstrationen der Opposition begrüßt haben. Tyhypko trat am Montag als Zentralbankchef und Wahlkampfmanager zurück. Er begründete dies laut seinem Sprecher damit, dass er sich künftig vollzeitlich politisch engagieren wolle.

Angst vor Spaltung

Der Oberste Gerichtshof kann nicht über das Gesamtresultat der Wahl urteilen, jedoch einzelne Ergebnisse für ungültig erklären. Die Opposition hat deshalb nach eigenen Angaben die Ergebnisse in acht Stimmbezirken angefochten, wo Janukowitsch seine Hochburgen hat. Dabei geht es um mehr als 15 Millionen Stimmen. Der Wahlkommission zufolge hat Janukowitsch landesweit mit einem Vorsprung von 871.402 Stimmen gewonnen. Ein Sprecher Janukowitschs warnte, dass ein Richterspruch jenseits des Gesetzes einen Bürgerkrieg auslösen könnte. Beobachter rechneten in jedem Fall mit einer Vertiefung der Kluft zwischen den politischen Fronten. Das Verteidigungsministerium bekräftigte indes, dass die Streitkräfte nicht gegen die Demonstranten vorgehen würden.

Kutschma betonte, er werde eine Spaltung der Ukraine niemals zulassen. Zuvor hatte die ostukrainische Region Donezk für kommenden Sonntag eine Volksabstimmung über eine Autonomieregelung beschlossen. Bei der Stichwahl am 21. November hatte Janukowitsch im Osten des Landes die meisten Stimmen erhalten, die Bevölkerung der Westukraine sprach sich mehrheitlich für Juschtschenko aus.

Auch ausländische Politiker äußerten sich besorgt über einen möglichen Zerfall der Ukraine. Die Europäische Union, der Europarat und die NATO appellierten an beide Seiten, die territoriale Integrität zu erhalten. Die Bundesregierung in Berlin mahnte erneut eine friedliche und verfassungsgemäße Lösung an. Auch US-Außenminister Colin Powell warnte in einem Telefonat mit Kutschma vor einer Teilung der Ukraine. (mik)