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Kutschma scheint nur die Machterhaltung wichtig zu sein

Miodrag Soric26. Dezember 2001

Der "Nationale Rundfunk- und Fernsehrat der Ukraine" hat dem oppositionellen Sender "Radio Kontinent" die Lizenz entzogen. Staatschef Kutschma unterdrückt einmal mehr die Pressefreiheit: Ein Kommentar von Miodrag Soric.

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Wenn im Westen ein hoher Feiertag ansteht, müssen die unabhängigen Medien in der Ukraine auf der Hut sein: Die Gefahr ist groß, dass Präsident Leonid Kutschma gegen sie vorgeht, sie mundtot macht.

Erst im vergangenen Frühjahr, genauer: zu Karfreitag, unternahmen die Helfer von Kutschma den letzten Versuch "Radio Kontinent" einen Maulkorb umzubinden. Scharfe Proteste aus dem Westen konnten dies damals verhindern.

Diesmal werden sie zumindest über die Feiertage ausbleiben: Auch die Politiker wollen mit ihren Familien die Geburt Christi feiern. Doch sobald die Politiker aus dem Urlaub sind, wird die Ukraine eine Welle des Protestes überrollen: Der Europarat und die Auswärtigen Ausschüsse der Parlamente in Berlin, London und Paris werden sich zu Wort melden; NGOs wie "Reporter ohne Grenzen" und andere werden Kutschma unangenehme Fragen stellen: Arbeitete nicht der ermordete Georgi Gongadse bei "Radio Kontinent"? Und haben geheim aufgezeichnete Tonbandaufnahmen eindeutig bewiesen, dass der Präsident hinter der Ermordung des regimekritischen Journalisten stand?

Ausgerechnet gegen den Sender vorzugehen, bei dem der ermordete Georgi Gongadse gearbeitet hat, ist dumm. Kutschma wird dies zusätzliche Negativ-Schlagzeilen in der Weltpresse einbringen. Solch einem Regime gewährt der Westen nur ungern Kredite und andere finanzielle Hilfen.

Nun mag der Präsident und sein "Paladin", der Vorsitzende des "Nationalen Rundfunk- und Fernsehrates" Boris Cholod, anders kalkuliert haben: Schließlich vergibt der Westen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin - wenn auch zähneknirschend - dessen Sünden gegen die Verbreitung des freien Wortes. Die Ukraine ist aber nicht Russland, sie hat ein anderes "politisches Gewicht". Der Westen benötigt die Unterstützung Moskaus in vielerlei Hinsicht: beim internationalen Kampf gegen Terror, bei der Nicht-Verbreitung von gefährlichen Waffen, bei der Stabilisierung des Erdölpreise. Die Ukraine hingegen ist auf die Hilfe des Westens angewiesen, wenn sie die Abhängigkeit von Moskau lockern will.

Letztlich beweist die brutale Verfolgung der Presse in der Ukraine, dass es Kutschma nicht um die Unabhängigkeit und den guten Ruf seines Landes geht. Wichtig scheint ihm alleine die Erhaltung der Macht zu sein. Im kommenden März finden in der Ukraine Parlamentswahlen statt. Seinem langjährigen politischen Weggenossen, Boris Cholod, dem Vorsitzenden des Nationalen Rundfunk- und Fernsehrates" hat er wohl den Ukas gegeben, bis Ende dieses Jahres alle regimekritischen Medien gleichzuschalten.

Was fürchten Kutschma und seine politischen Weggenossen? Oppositionelle Journalisten könnten das Wahlvolk daran erinnern, dass es Kutschma bislang nicht gelungen ist, die wirtschaftliche Lage des Landes zu verbessern. Die Verarmung insbesondere der Landbevölkerung ist erschreckend. Millionen von Ukrainern sitzen mitten im Winter in ungeheizten Wohnungen. Kutschma will, dass sie dort nicht "Radio Kontinent" hören, sondern das staatliche Fernsehen verfolgen, das die vielen wirtschaftlichen Erfolge Kutschmas preist.

Kutschma könnte eines Tage in die Geschichtsbücher eingehen als Präsident, der die Wirtschaft ruinierte, Wahlen fälschte, oppositionelle Journalisten verfolgte und dafür sorgte, dass die Ukraine in der Welt ein schlechtes Image hat. Noch kann er daran etwa ändern.