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Länder schrumpfen Verfassungsschutz-Reform

Bernd Gräßler28. August 2012

Der Schock über die jahrelange Mordserie von Rechtsextremisten hat in der Politik nicht lange angehalten: Beim Umbau des Verfassungsschutzes wird wie eh und je um Kompetenzen gefeilscht. Es droht ein "Reförmchen".

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Der Eingang zu den Dienststellen des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutzes, aufgenommen in Berlin.(Foto: dpa)
Bild: picture-alliance/dpa/dpaweb

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) ist mit radikalen Vorschlägen zur künftigen Arbeit des Inlandsgeheimdienstes auf entschiedenen Widerstand aus den Bundesländern gestoßen. Das wurde nach einem Treffen Friedrichs in Berlin mit seinen Ressortkollegen aus den Ländern deutlich. Deren 16 Landesämter für Verfassungsschutz, die der jeweiligen Landesregierung unterstehen und nicht dem Bund, sollen offensichtlich allesamt bestehen bleiben und keine entscheidenden Kompetenzen abgeben. Viele Experten bezweifeln die Effektivität der kleinen Verfassungsschutzdienststellen wie in Bremen, dem Saarland oder Thüringen.

Einig über Verfassungsschutzreform

Der Bundesinnenminister wollte deshalb dem in Köln ansässigen Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) größere Kompetenzen geben. Die Beobachtung "gewaltgeneigter Bestrebungen und Personen" sollte künftig in den Händen der Bundesbehörde liegen. Eine rechtsextreme Gruppierung wie der "Nationasozialistische Untergrund" (NSU), dem zwischen 2000 und 2007 in mehreren Bundesländern insgesamt neun Migranten und eine Polizistin zum Opfer fielen, wäre nach Friedrichs Vorstellungen künftig ein Fall für das Bundesamt und nicht für kleine Landesämter.

Länder verweigern "Degradierung"

Die Landesämter sollten sich nach Friedrichs Vorstellungen künftig nur noch mit legalen, nicht gewaltbereiten Gruppen befassen, wozu auch die NPD gehören würde. Das klang nach Reform. Doch schon nach anderthalbstündiger Beratung mit den Innenminister-Kollegen aus den Ländern verabschiedete sich Friedrich von seiner kühnen Idee.

Denn in den Ländern empfand man eine solche Arbeitsteilung als Anmaßung und Degradierung der eigenen "Schlapphüte". Es dürfe nicht Verfassungsschützer erster und zweiter Klasse geben, klagte der Innenminister von Mecklenburg-Vorpommern, Lorenz Caffier (CDU). Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte, eine neue Sicherheitsarchitektur sei nicht notwendig. Es sei in der Praxis überhaupt nicht möglich, bei der Beobachtung durch den Verfassungsschutz zwischen gewaltbereiten Extremisten und nicht gewaltbereiten Gruppen wie der NPD zu unterscheiden, da es hier fließende Übergänge gebe. Nordrhein-Westfalens einflussreicher Innenminister Ralf Jäger (SPD) betonte, "vertiefte Kenntnisse der örtlichen und regionalen Szene" seien zur Beobachtung und Analyse extremistischer Bestrebungen unabdingbar.

Bundeseinheitliche Standards für V-Leute

Die nach den peinlichen Ermittlungspannen im Fall des NSU-Terrors allenthalben erwartete Reform des Verfassungsschutzes droht nun zu einem Reförmchen zu schrumpfen.

Immerhin soll es künftig eine umfassende Informationspflicht der Länder gegenüber dem Bundesamt für Verfassungsschutz geben. Gemeinsam treten Bund und Länder für eine bessere parlamentarische Kontrolle des Verfassungsschutzes ein. Die umstrittenen Verbindungsleute (V-Leute) des Verfassungsschutzes in rechtsextremen Organisationen sollen künftig nach bundeseinheitlichen Standards geführt und kontrolliert werden.

Zwar wird im nächsten Jahr noch ein vom Bundesinnenminister eingesetztes Expertengremium Reformideen für den Inlandsgeheimdienst präsentieren und auch der Untersuchungsausschuss des Bundestages zum NSU-Skandal hat seine Empfehlungen noch nicht gegeben. Doch die Weichen haben die Innenminister bereits gestellt.