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Daniel Alarcón: Lost City Radio

2. Oktober 2009

Daniel Alarcón ist der erste Preisträger des neu geschaffenen Internationalen Literaturpreises. Sein Roman "Lost City Radio" handelt vom gewaltsamen Zerstören der Erinnerung.

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Buchcover Lost city radio

Der Internationale Literaturpreis, geschaffen vom Berliner "Haus der Kulturen der Welt", wird für außereuropäische Erzählliteratur in deutscher Erstübersetzung vergeben und will die Aufmerksamkeit auf die Vielfalt und Vielstimmigkeit der globalen Gegenwartsliteraturen sowie auf die Vermittlungsarbeit der Übersetzer lenken.

Der 32-jährige gebürtige Peruaner Alarcón, der vor dem Bürgerkrieg in seinem Land in die USA emigriert ist, ist Migrant und Sprachwechsler. "Lost City Radio", sein auf Amerikanisch geschriebener Debütroman, kongenial ins Deutsche übersetzt von Friederike Meltendorf. passt vorzüglich in das Profil des neuen Literaturpreises.

Der Roman spielt in einem ungenannten lateinamerikanischen Land nach dem Ende eines blutigen Bürgerkriegs. Das Land ist verwüstet, die Bevölkerung zerrissen und ausgeblutet. Es herrscht eine Militär-Junta, die die Erinnerung an die Opfer des Bürgerkriegs, die Verschwundenen, auslöschen will. Die Geschichte des Landes und seine Topografie sollen ausradiert werden. Ortsnamen werden durch Nummern ersetzt. An die Vergangenheit, die Massaker, die Gräuel, die Opfer, darf nicht erinnert werden. Die Bevölkerung wird zum Vergessen der Geschichte gezwungen.

Das Radio als subversives Medium

Daniel Alarcon
Daniel AlarcónBild: Alvarado

Doch gegen die gewaltsame Politik des Vergessens regt sich Widerstand. Das Radio wird zum Medium der Subversion. Als Stimme des Widerstandes berühmt wird die Radio-Moderatorin Norma mit ihrer Sendung "Lost City Radio", in der permanent an die Opfer erinnert wird, weil Menschen hier ihre vermissten und verschwundenen Angehörigen suchen können. Die Sendung wird im ganzen Land gehört und kultisch verehrt, auch in den nun namenlosen Anden-Dörfern. Was die Militär-Junta mit ihrer Zerstörung der Erinnerung erreichen wollte, das wird durch das Radio unterlaufen und konterkariert: Die Sendung schafft ein Netzwerk des Widerstands und des subversiven Informations-Austausches. Sie arbeitet also gegen das offiziell verhängte Vergessen. Sie schafft Gedächtnis – Memoria.

Der modellhafte Bürgerkrieg

Der peruanische Bürgerkrieg der 1980er und 1990er Jahre dient Daniel Alarcón zwar als Modell, er hat aber keinen historischen Polit-Roman geschrieben. "Lost City Radio" ist vielmehr als Parabel zu lesen: Der Bürgerkrieg im Roman steht paradigmatisch für die politische Realität des ganzen lateinamerikanischen Kontinents mit seinen Staatsstreichen, Militär-Diktaturen und Folter-Regimes, mit seiner ganzen Zerrissenheit und politischen Gewalttätigkeit. Dass der Roman auch Wege des zivilen Widerstands aufzeigt, gibt dem Buch seine besondere Triftigkeit und Dringlichkeit.

Rezensentin: Sigrid Löffler
Redaktion: Gabriela Schaaf

Daniel Alarcón: Lost City Radio, Roman, Aus dem Amerikanischen von Friederike Meltendorf, Wagenbach Verlag, Berlin 2008, 315 S., 22,90 Euro