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"Lösung muss von innen kommen"

Jannis Papadimitriou18. Mai 2016

Der IWF hat vorgeschlagen, dass Griechenland bis 2040 nichts zahlen muss. Die europäischen Partner sind skeptisch. Ökonom Alexander Kritikos plädiert für einen indirekten Schuldenschnitt und erklärt im Interview warum.

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Bürger unterstützen den Kurs der Regierung bei Schuldengesprächen (Foto: EPA)
Bild: picture-alliance/dpa/Pantzartzi

DW: Herr Kritikos, die europäischen Gläubiger und der Internationale Währungsfonds (IWF) streiten sich über Schuldenerleichterungen für Griechenland. Dabei fordert der IWF, dem Vernehmen nach, eine Stundung bei allen Krediten bis 2040. Wäre das eine Möglichkeit, den Schuldendienst zu erleichtern?

Alexander Kritikos: Definitiv. Wir wissen aus eigenen Berechnungen, dass Griechenland, selbst wenn es mit drei Prozent pro Jahr in den nächsten Jahren wachsen sollte, nicht in der Lage sein wird, die Staatsschulden zu bedienen. Insofern sollte dies ein Faktor für weitere Verhandlungen werden. Ein Weg wäre eben eine Stundung und Zinssenkung. Aber man muss auch gleichzeitig herausstreichen: Griechenland selbst muss weitere Voraussetzungen schaffen, um in der Zukunft dieses Wachstum von drei Prozent erreichen zu können.

Alexander Kritikos (Foto: DW)
Forschungsdirektor beim DIW: Alexander KritikosBild: DW/P. Kouparanis

Kommt die Lösung für Griechenland von innen oder eher von außen?

Ich denke, die muss von innen kommen. Es ist wichtig, dass diese - oder eine der zukünftigen Regierungen - Ownership übernimmt. Es muss die Bereitschaft bestehen, aus eigenem Willen heraus Reformen durchzuführen. Das haben wir in den letzten sieben Jahren bei fast allen Regierungen schmerzlich vermisst. Was von außen kommen kann, sind nur Vorschläge.

Wobei diese Frage in Griechenland kontrovers diskutiert wird: Kommt das Land deshalb nicht vom Fleck, weil das Reformprogramm nicht richtig angewandt wird - oder bleibt uns die Krise erhalten, eben weil das Programm angewandt wird? Mit anderen Worten: Ist der Patient schwierig oder das Rezept falsch?

Es ist sicherlich eine Mischung aus beidem. Der Patient ist schwierig und man muss sich genauer ansehen was falsch gelaufen ist bei dem Reformprozess in den vergangenen sieben Jahren. Da ist es immer ganz gut, auf andere Länder zu schauen. Denken wir an Portugal: Dort hatte die Troika Elemente vorgeschlagen, die Portugal als nicht-umsetzungsfähig angesehen hat, aber die portugiesische Regierung hat konstruktive Ersatzvorschläge gemacht. Es ist die Verantwortung einer Regierung bessere Vorschläge zu machen, anstatt nur zu sagen: 'Das, was ihr vorschlagt, ist schlecht'.

Nun will die Regierung erneut Steuern erhöhen und die Renten kürzen, um ihre Haushaltsziele zu erreichen. Ist das der richtige Weg?

Aus meiner Sicht ist er das nicht. Was die Steuererhöhungen betrifft: Ich denke, dass man hier falsch handelt. Ich fürchte, dass dadurch das Wirtschaftswachstum in 2016 beschädigt wird. Die Erhöhung des Renteneintrittsalters ist allerdings wichtig.

Sehen Sie die Notwendigkeit für einen direkten Schuldenschnitt, also einen Erlass eines Teils der Kredite?

Aus ökonomischer Sicht hat es einen relativ ähnlichen Effekt, ob man einen direkten oder indirekten Schuldenschnitt macht. Der IWF schlägt einen indirekten Schuldenschnitt vor. Der entspräche etwa einem Schuldenerlass von 20 bis 30 Prozent. Wenn man sich auf einen solchen indirekten Schuldenschnitt einigen kann, dann wäre das sicherlich ein Gewinn für Griechenland. Ich denke, dass ein direkter Schuldenschnitt politisch derzeit sehr viel schwieriger zu verkaufen ist .

Droht Griechenland einmal mehr die Staatspleite oder ist das nur Schnee von gestern?

Ich bin ganz zuversichtlich, dass man sich zum Ende des Monats soweit einigen wird, dass die nächste Tranche freigegeben wird und Griechenland damit zahlungsfähig bleibt. Sollte das unterlassen werden, ist in der Tat wieder eine Diskussion über die Staatspleite in Griechenland unvermeidlich. Aber ich glaube, beide Seiten haben ein großes Interesse daran, diese Diskussion zu vermeiden.

Alexander Kritikos ist Forschungsdirektor beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.

Das Interview führte Jannis Papadimitriou