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"Löw hat sich verzockt"

5. Februar 2010

Vier Monate vor der Fußball-WM in Südafrika knirscht es heftig beim DFB. Der Wirbel um die Vertragsverlängerung für Bundestrainer Joachim Löw und Teammanager Oliver Bierhoff im Presseecho:

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Symbolbild Presseschau (Foto: DW)
Bild: DW

"Löw hat hoch gepokert und sich verzockt", meint die in Rostock erscheinende OSTSEE-ZEITUNG.

"Seine Forderung an den DFB, die Unterzeichnung des Vertrags mit einem Jahressalär zu honorieren, war überzogen. So sehr, dass Zwanziger weitere Gespräche abblies. Der Präsident geht mit Schrammen aus den Vertragsverhandlungen, weil er den Eindruck erweckte, alles würde glatt gehen. Dennoch hat sich Zwanziger clever aus der Affäre gezogen. Er ist ins Pokerspiel eingestiegen. Nach der WM wird neu verhandelt. ".

Die RHEINISCHE POST aus Düsseldorf hält noch eine weitere Forderung des Führungsteams für indiskutabel:

"Manager Bierhoff soll ein Vetorecht bei der Einstellung des Bundestrainers verlangen. Im Klartext: Die Entscheidung über das Führungspersonal der Nationalelf läge allein bei ihm. Das kann sich DFB-Präsident Zwanziger gar nicht gefallen lassen. Zwanziger wiederum hat sein Gesicht verloren, weil er die Vertragsverlängerung schon als gesichert verkündet hatte. Er ist von Löw und Bierhoff mit neuen Ansprüchen bloßgestellt worden. Vielleicht ist das der Anfang vom Ende einer lange funktionierenden Geschäftsbeziehung".

Lange vor dem ersten Anstoß zur WM habe sich der größte Fußballverband der Welt die erste Niederlage selbst zugefügt, klagt der Berliner TAGESSPIEGEL:

"Nun haben die internen Hahnenkämpfe um Macht und Einfluss rund um die Nationalmannschaft den Verband handlungsunfähig gemacht. Der überaus erfolgreiche, aber auch überaus ehrgeizige Sportdirektor Matthias Sammer auf der einen Seite, Löw und der überaus zielstrebige Nationalmannschafts-Manager Oliver Bierhoff (der mit seinem Wunsch nach einem Vetorecht bei der Bundestrainer-Suche offenbar das Maß überspannt hat) auf der anderen Seite - erstmals hat es der sonst so geschickt agierende Zwanziger nicht vermocht, interne Eifersüchteleien in seinem Verband so herunterzumoderieren, dass zumindest kein öffentlicher Schaden entsteht."

Das OBERMAIN-TAGBLATT aus Lichtenfels findet:

"Es ist dem Verband hoch anzurechnen, dass er sich hier nicht erpressen lässt. Erst Leistung bei der WM zeigen, dann sehen wir weiter. Schließlich wollen wir diesmal den Pott und nicht den Alptraum vom Super-GAU: Stell dir vor, es ist Fußball-WM und die deutsche Truppe kann schon nach der Vorrunde die Koffer packen."

"Der DFB zeigt Rückgrat und wehrt sich gegen eine ungeheuerlich anmutende Forderung", meint die MITTELDEUTSCHE ZEITUNG, die in Halle erscheint:

"DFB-Chef Theo Zwanziger und die Seinen mussten so reagieren, um nicht als Marionetten dazustehen. Unbestritten leisten Löw und Co. klasse Arbeit, sind Aushängeschilder des Verbandes und Sympathieträger in der Öffentlichkeit. Sich dies aber - erstmalig in der DFB-Geschichte - extra vergüten zu lassen, ist völlig überzogen und erinnert an Banker-Praktiken. Hat da jemand den Boden unter den Füßen verloren?"

DIE WELT vertritt die Ansicht:

"Dass Trainer und Teammanager ihre Positionen ausloten und versuchen, das bestmögliche für sich herauszuholen, ist legitim. Doch der Vorstand musste eben auch aufpassen, dass die Protagonisten des Nationalteams den Bogen nicht überspannen. Es ging um Grundsätzliches. Der Vorstand durfte sich ob der Gesamtverantwortung für den deutschen Fußball und der über 6,5 Millionen Mitglieder nicht in die Abhängigkeit von einzelnen Personen begeben. Der DFB hat jetzt ein deutliches Zeichen gesetzt. Der Wille zu verlängern ist zwar da, aber nicht mehr um jeden Preis."

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG spricht von einem "Fehlstart ins WM-Jahr":

"Eigentlich müsste der Bundestrainer jetzt zurücktreten. Zum einen ist der Vertrauensschwund zwischen Joachim Löw und dessen Team sowie der DFB-Verbandsspitze um Theo Zwanziger und Wolfgang Niersbach derart bizarr in aller Öffentlichkeit vorgeführt worden, dass dies die naheliegende Konsequenz wäre. Und zum anderen ist fraglich, wie Löw als (allen Funktionärsbekenntnissen zum Trotz) intern angezählter Nationalcoach die schwierige WM überstehen soll. Es braucht keine Fantasie für die Prognose, dass er sich fortan bei jeder Minderleistung seiner Mannen im Brennpunkt branchentypischer Grundsatzkritiken wiederfinden wird."

Zusammengestellt von Rolf Breuch