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Labour-Parteitag

Gesa Schölgens23. September 2007

Labour-Parteitag in Bournemouth: Zum ersten Mal tritt Gordon Brown als Parteivorsitzender und Regierungschef Großbritanniens auf. Experten rechnen nicht mit einer Kursänderung.

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Ein lachender Gordon Brown, im Hintergrund ein Schild mit der Aufschrift "Brown for Britain".
Brown hat gut Lachen: In den Umfragen liegt seine Labour-Partei vorneBild: AP

Tony Blair war gestern: Auf dem Labour-Parteitag im südenglischen Bournemouth warten die Parteimitglieder gespannt auf den Auftritt des neuen Regierungs- und Parteichefs Gordon Brown. Das in den Medien gestreute Gerücht, Brown werde am Montag (24.9.2007) in seiner Rede Parlamentswahlen für den Oktober ausrufen, halten Experten jedoch für unwahrscheinlich.

Obwohl Labour in den Umfragen vorne liegt, seien vorgezogene Neuwahlen nach der Northern-Rock-Krise strategisch unklug, sagt der Politologe und Großbritannien-Experte Bernd-Werner Becker. "Auch der Streit um das EU-Referendum kann im Wahlkampf leicht gegen Brown verwendet werden."

Brown steht für solide Politik

Unter Brown ist die Partei bei den Wählern deutlich beliebter als sie es gegen Ende von Blairs Amtszeit war. Jüngsten Umfragen der britischen Tageszeitung "Guardian" zufolge liegt Labour bei 40 Prozent der Wählerstimmen und damit 8 Prozent vor den Konservativen.

Hand steckt Wahlzettel in Wahlurne.
Das von Brown abgelehnte Referendum für den neuen EU-Vertrag sorgt für ZündstoffBild: AP

Eine klare Abgrenzung Browns von der eher unternehmerfreundlichen Politik seines Vorgängers Tony Blairs erwarten Experten nicht auf dem Parteitag, obwohl Brown bei Amtsantritt "neue Prioritäten" versprochen hatte. "Einen Linksruck wird es nicht geben. Brown war zehn Jahre lang Blairs innenpolitischer Vordenker - da wird er seinen Kurs jetzt nicht plötzlich ändern", sagt Becker.

Auch Vertraute Browns wie der Labour-Parlamentarier Ian Lucas erwarten vor allem Kontinuität in der Wirtschafts- und Sozialpolitik: "Brown gilt als solider, glaubwürdiger und pragmatischer Politiker", sagte Lucas dem "Hamburger Abendblatt". In der Außenpolitik werde Brown hingegen neue Schwerpunkte setzen und ein engeres Verhältnis zu Europa suchen als Blair.

Obwohl Brown der EU auch mehr Skepsis entgegen bringt als sein Vorgänger, ist Politologe Becker sicher: "Brown wird sehr viel auf der internationalen Bühne agieren - und mittelfristig auch die Unterstützung und den Stellenwert der EU schätzen lernen." Das Brown selbstbewusst agiert, hat er gerade bewiesen: Der Premier drohte, dem geplanten EU-Afrika-Gipfel fernzubleiben, sollte Simbabwes Diktator Mugabe teilnehmen.

EU-Referendum spaltet Partei

Tony Blair spricht im Parlament, im Hintergrund das Gesicht Browns.
Doppelspitze: Zehn Jahre lang war Brown die rechte Hand von Tony BlairBild: AP

Heikel wird es für Brown in einem anderen Punkt: In den vergangenen Wochen erzürnte die Haltung der Labour-Partei zum Referendum über den EU-Reformvertrag das Wählervolk. Rund 60 Prozent der Bürger sind für die Volksabstimmung. Bei den Wahlen im Jahr 2005 hatte Labour ihnen das Referendum noch zugesagt. Doch nun verweigert sich Brown.

Kritiker sagen, dass sich der neue Vertrag nicht groß von der vor zwei Jahren abgeschmetterten Fassung unterscheide. Bei einem Referendum würde der Reformvertrag deswegen ziemlich sicher abgelehnt.

Brown hingegen ist der Meinung, der Vertrag sei ein "vollkommen anderes Dokument". Zudem müssten die vertraglichen Details noch von einer Regierungskonferenz festgelegt werden. Sollten dort die Interessen Londons respektiert werden, sieht Brown "keine Notwendigkeit" für ein Referendum.

In den eigenen Reihen wird inzwischen gegen Browns Haltung rebelliert: Schon mehr als 120 Abgeordnete haben sich einer Referendumskampagne angeschlossen. "Mehr und mehr Leute wollen ein Referendum. Es wird hart sein, sich dem zu widersetzen", sagte der Labour-Abgeordnete Ian Gibson.

Darüber hinaus wird geschätzt, dass Brown vor den erwarteten 12.000 Parteimitgliedern auf heikle Themen wie den Einsatz britischer Truppen im Irak und in Afghanistan eingehen wird. Dies sind keine Bereiche, in denen er bei den Wählern punkten kann. "Aber die Parteimitglieder erwarten von ihm, dass er diese Themen anspricht", sagt Tony Travers, Politologe an der London School of Economics and Politics.

Spannungen mit Gewerkschaften

Kunden stehen Schlange vor der Northern Rock Bank.
Die Krise der Northern Rock Bank war ein Rückschlag für LabourBild: picture-alliance/ dpa

Für den fünf Tage dauernden Parteitag werden Spannungen mit Anhängern der Gewerkschaften erwartet. Ein Grund ist Browns Weigerung, höhere Löhne im öffentlichen Dienst zuzulassen und die Arbeitnehmerrechte zu stärken. "Wir sind erfolgreich mit unserer Wirtschaftspolitik, weil wir zehn Jahre lang Disziplin gewahrt haben", erwiderte Brown auf die Kritik an seiner Lohnpolitik.

Die Arbeitsnehmervertreter haben sich auch über die Verhandlungen zum EU-Vertrag auf dem Brüsseler Juni-Gipfel geärgert. Dort ließ sich die Labour-Regierung zusichern, dass der Grundrechtekatalog für britische Gerichte nicht bindend ist. So können etwa britische Arbeiter keine zusätzlichen Streikrechte einklagen.

Nach den Turbulenzen auf dem Finanzmarkt steht auch die Finanz- und Privatisierungspolitik des ehemaligen Schatzmeisters in der Kritik. Als Finanzminister hatte Brown den wachsenden Kreditaufnahmen im privaten und im Finanzsektor in den vergangenen Jahren keinen Einhalt geboten.

Beliebter als Tory-Chef

Auf dem Parteitag wird Labour dennoch Geschlossenheit demonstrieren. "Browns Partei wird ihn trotz der Differenzen beim EU-Referendum stark unterstützen", sagt Travers. Brown habe "alles unter Kontrolle".

Diese Meinung teilen fast alle Experten: "Ich denke, es wird ein sehr erfolgreicher Parteitag werden. Es ist die perfekte Plattform für Brown", sagt Mark Wickham-Jones, Politikwissenschaftler an der Bristol University.

Brown betreibe eine glaubwürdige Politik: "Nach dem Rücktritt Blairs hat der Brown-Effekt durchgeschlagen. Er ist bei den Bürgern beliebter als Parteiführer David Cameron von den Tories, sie bringen ihm ihr Vertrauen entgegen", urteilt auch Politologe Becker.