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Lachen über den neuen Pharao

Fouad EL-Auwad4. Januar 2013

Die Ägypter lachen gerne, auch über ihre Politiker. Seit der Arabellion tun sie es ganz offen. Auch der neue Präsident Mursi wird nicht geschont. Gespottet wird vor allem über den Einfluss der Religion auf seine Politik.

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Graffiti von Mursi (Foto: Reuters)
Ägypten Kairo Graffiti von MursiBild: Reuters

Schon der gestürzte Diktator Husni Mubarak wurde oft verbal auf die Schippe genommen. Obwohl politische Witze nur in vertrauten Kreisen erzählt wurden, waren sie jedem bekannt. Die Angst vor Bestrafung machte erfinderisch. Um die Nennung von Mubaraks Namen zu vermeiden, nannte man den Präsidenten "la vache qui rit" ("Die Kuh, die lacht" - in Anlehnung an eine französische Käsesorte). Erst mit der Revolution verschwand die Angst. Heute findet sich der politische Humor in den Medien, auf Internetseiten, in sozialen Netzwerken oder auf Protestschildern bei Demonstrationen.

Mursi und die Satire

Die Ägypter gelten als humorvolles und schlagfertiges Volk mit einem Hang zur Selbstironie. Zu jeder Situation erfinden sie den passenden Witz. Selbst auf dem Tahrirplatz während der Revolution behielten sie ihren Humor. Manche Schilder trugen Parolen wie: "Mubarak, hau ab! Meine Frau bekommt ein Kind. Es weigert sich, zur Welt zu kommen, solange Du noch Präsident bist."

Auch der neue Präsident wird nicht verschont. Mohammed Mursi ist ein beliebtes Motiv von Karikaturisten und Satirikern. Sie kritisieren vor allem Mursis religiös geprägte Politik und den Einfluss der Muslimbruderschaft auf seine politischen und wirtschaftlichen Entscheidungen.

Die Satiriker nahmen Mursi schon mit der Kandidatur zur Präsidentschaft ins Visier. Nach seiner ersten Rede vor der Wahl, in der er seine politischen Ziele offenbarte, kursierten in den Medien bereits Witze über ihn: "Hätte Mursi seine eigenen Wahlversprechen verstanden, so würde er seinen Rivalen Shafiq wählen."

Auf Facebook konnte man folgenden Witz lesen: "Nach hundert Tagen im Amt hält der Präsident vor dem Volk erneut eine Rede. Darin spricht Mursi über die schlechte wirtschaftliche Lage seines Landes und schwört: 'Bei Gott, seit ich regiere, ist kein Cent in meine Tasche geflossen.' Darauf antwortete das Volk: 'Herr Präsident, uns ist es nicht anders ergangen.'"

Dieses Graffiti zeigt Mursi zwischen Mubarak und Militärchef Tantawi (Foto: REUTERS)
Dieses Graffiti zeigt Mursi neben dem entlassenen Militärchef Tantawi und Ex-Diktator MubarakBild: Reuters

Einige Satiriker stellen Mursi wegen seiner Versuche, die Macht über alle drei Gewalten an sich zu reißen, als Pharao dar. Eine wenig schmeichelhafte Bezeichnung, denn schon der gestürzte Diktator Husni Mubarak wurde vom Volk "Pharao" genannt. Gleichzeitig gilt Mursi vielen als Marionette der radikalen Islamisten.

Auf der Straße kursiert folgender Witz: "Einer fragt seinen Freund: 'Hast du mitbekommen, der Pharao ist wieder auferstanden?' 'Sag bloß nicht, du meinst den, der sich von den Salafisten an der Nase herumführen lässt?', antwortet der andere."

Der religiöse Einfluss auf den Alltag - ein Motiv der Satire

Der Furcht, die Religion könne im alltäglichen Leben in Zukunft eine zu dominierende Rolle spielen, begegnen viele Ägypter mit Humor. Viele mündlich überlieferte Witze sind auf Facebook im Umlauf, wie zum Beispiel dieser: "Stellenanzeige eines staatlichen Fernsehsenders: Moderatorin gesucht - nicht älter als 20 - mit mindestens 21-jähriger Erfahrung im Kopftuchtragen."

Frauen mit Schleier (Foto:Amr Nabil/AP/dapd)
Der konservative Islam auf dem VormarschBild: picture-alliance/AP Photo/A. Nabil

In einem anderen Eintrag war zu lesen: "Auf der Schnellstraße von Alexandria nach Kairo wurde ein Mann bei einer Verkehrskontrolle wegen überhöhter Geschwindigkeit angehalten. Er zeigte wie gewohnt seinen Führerschein und die Fahrzeugpapiere und fragte den Verkehrspolizisten nach der Geldstrafe. Da lachte der Polizist: 'Bruder, solche Kontrollen und Geldstrafen gehören der Vergangenheit an. So was gab es zu Mubaraks Zeiten.' Daraufhin fragte der Fahrer: 'Wie sieht denn die von Mursi angeordnete Strafe aus?' 'Es reicht, wenn du eine Sure (aus dem Koran) zitierst, Gott wird dir deine Tat vergeben', antwortete der Polizist."

Der Einfluss der Muslimbruderschaft und ihres geistlichen Führers, dem so genannten Murshid, ist vielen Ägyptern bekannt. Mursi gilt vielen als Marionette des Murshid. Als Reaktion darauf kursieren diverse Satiren im Internet. Ein Cartoon zeigt Mursi vor einer Rede ans Volk. Er hält einen Zettel in der Hand und murmelt: "Bevor ich wirres Zeug rede und den Murshid verärgere, lerne ich lieber seinen Text auswendig."

Über die Ergebnisse der Revolution gegen Mubaraks Herrschaft spottet man in Ägypten. Auf Facebook wurde ein Witz darüber verbreitet: "Liebe Revolutionäre, jetzt kennen wir den wahren Grund der Revolution gegen Mubarak. Er hat nämlich nicht in der Öffentlichkeit gebetet und nicht nach der Scharia regiert."

Der Humor und seine Folgen im heutigen Ägypten

Mursi ist für seine Anhänger nicht nur eine politische Führungsperson, sondern auch ein religiöser Anführer. Kritiker werden als Gotteslästerer beschimpft.

Der Schauspieler Adel Imam (Foto: EPA)
Der Schauspieler Adel ImamBild: picture-alliance/dpa

Gegen einige Karikaturisten, Satiriker, Journalisten und Schauspieler wurde sogar juristisch vorgegangen. Laut Zeitungsberichten, ordnete die Staatsanwaltschaft kürzlich eine Untersuchung einer Klage gegen den berühmten Fernsehmoderator Bassem Jusuf an. Unterstellt wurde ihm, er habe in seiner Show auf einem privaten Sender behauptet, Mursi strebe eine Diktatur an. Ein Rechtsanwalt aus den Reihen der Islamisten, der einen Witz des Moderators als Beleidigung des Präsidenten interpretierte, reichte eine Klage ein.

Für manche seiner früheren Filme und Theaterstücke, in denen er sich kritisch gegenüber Radikalismus im Islam äußerte, wurde vor einigen Monaten der berühmte Komödiant und Schauspieler Adel Imam angeklagt. Die Anschuldigung: Gotteslästerung.

Zunächst war die Hoffnung der Menschen groß, durch den arabischen Frühling einen politischen Wandel zu erreichen. Sie glaubten an eine neu gewonnene Freiheit. Heute befürchten viele, die Diktatur Mubaraks könne durch eine Diktatur der Religiösen ersetzt werden. Ihren Humor aber haben sich die Ägypter bewahrt.