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Lage im Unglücksreaktor bleibt kritisch

21. März 2011

Im AKW Fukushima wird weiter gegen den Super-GAU gekämpft. Die Reaktoren sollen weiter mit Wasser besprüht werden. Japans Atomaufsicht wirft der Betreiberfirma massive Schlamperei bei Inspektionen vor dem Erdbeben vor.

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Rauch über der Reaktorruine(Foto: AP)
Rauch über der ReaktorruineBild: AP/Kyodo News

Rauch steigt noch immer über den zerstörten Reaktorblöcken des Atomkraftwerks in Fukushima auf. "Wir prüfen noch die Lage", sagte der Sprecher der Atomsicherheitsbehörde (NISA), Hidehiko Nishiyama am Dienstag (22.03.2011). Man wolle die Reaktoren weiterhin mit Wasser besprühen, damit sie nicht überhitzen. Bislang verdampft das Wasser sofort, weil die Reaktoren noch extrem heiß sind. Man brauche weiterhin Pumpen und Wasserwerfer, sagte Nishiyama.

Am Dienstagvormittag wollen die Verantwortlichen prüfen, ob die Reaktorblöcke 3 und 4 mit Wasser besprüht werden dürfen. Zu diesen Teilen ist ebenfalls eine Stromleitung verlegt worden. Wenn die Technik unversehrt sei, könne man sie anschließen und so die Beleuchtung in den Kontrollräumen zum Laufen bringen sowie die Kühlung der Anlage, so der NISA-Sprecher.

Schlechter Wochenbeginn

Nach ersten Erfolgen vom Wochenende dampfte und rauchte es am Montag erneut über mehreren der havarierten Reaktoren. Die Betreibergesellschaft Tepco zog ihre Arbeiter vom betroffenen Gelände vorübergehend ab. Versuche, die Reaktoren 3 und 4 wieder mit Strom zu versorgen, wurden wegen der Zwischenfälle unterbrochen.

Woher der Rauch genau stammte, war zunächst unklar. Eine Explosion hatte sich vor dem Aufsteigen des Rauches offenbar nicht ereignet. Auch die Messung der Radioaktivität im Umkreis ergab nach Angaben der Atomsicherheitsbehörde zunächst keine erhöhten Werte.

Betreiber Tepco soll geschlampt haben

Schon vor dem verheerenden Erdbeben und dem Tsunami soll die Betreiberfirma Tepco im Atomkraftwerk Fukushima geschlampt haben. Das geht aus einem Bericht der japanischen Atomsicherheitsbehörde vom 2. März hervor, neun Tage vor der Naturkatastrophe. Darin wirft die Atomaufsicht dem Betreiber Tepco (Tokyo Electric Power Co) Verzögerungen im Zeitplan der Inspektionen sowie die nicht durchgeführte Untersuchung zentraler Teile der Anlage vor.

Unter den nicht überprüften Teilen hätten sich wichtige Elemente des Kühlsystems für die sechs Reaktoren und die Abklingbecken befunden. Auch die Notstromdieselgeneratoren für Reaktor 3, Pumpen für die Einheiten 1 und 2 und Generatorenteile für Reaktor 4 seien nicht kontrolliert worden. Insgesamt seien 33 Teile der Anlage nicht untersucht worden.

Tepco hatte daraufhin die Versäumnisse eingeräumt, wie an diesem Montag bekannt wurde. Die Atomaufsicht gab Tepco in ihrem Schreiben bis zum 2. Juni Zeit, einen Korrekturplan auszuarbeiten, was nach der Katastrophe obsolet geworden ist.

Sorge um verstrahlte Lebensmittel und Wasser

Radioaktiv-verstrahlter Spinat (Foto: AP)
Man sieht es nicht: Radioaktiv-verstrahlter SpinatBild: AP

Sorge bereiten den Menschen im Nordosten Japans zunehmend die Meldungen über belastete Lebensmittel aus der Region rund um das AKW. Für die vier Präfekturen Fukushima, Ibaraki, Tochigi und Gunma verhängte die Regierung ein Lieferverbot für Milch und mehrere Gemüsesorten. Ein Dorf innerhalb der 30-Kilometer-Schutzzone darf kein Leitungswasser mehr trinken. Dort ergaben Messungen einen dreifach erhöhten Wert für radioaktives Jod. Spuren von Jod und Cäsium wurden laut der Agentur Kyodo insgesamt in neun Präfekturen gemessen, unter anderem in Tokio. Dort seien die Grenzwerte aber nicht überschritten. Der Norden der Präfektur Fukushima ist eine der wichtigsten Anbauregionen für Reis, Obst und Gemüse und wird auch für Milchwirtschaft genutzt.

IAEA will Nuklearstandards überarbeiten

IAEA-Chef Amano (Foto: AP)
IAEA-Chef AmanoBild: AP/Kyodo News

Als Reaktion auf die Katastrophe in Fukushima müssen aus Sicht der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) die internationalen Richtlinien zur Nuklearsicherheit überarbeitet werden. "Eine Lehre ist bereits klar: Das momentane internationale Rahmenwerk zur Reaktion auf Notfälle braucht Überarbeitung", sagte der Chef der Atomenergiebehörde Yukiya Amano zu Beginn einer Sondersitzung des IAEA-Gouverneursrats in Wien. Die momentanen Regelungen reflektierten die Realitäten der 1980er Jahre und nicht die des 21. Jahrhunderts, sagte der Japaner. Auch die Rolle der IAEA beim Thema Nuklearsicherheit und internationale Standards dazu könnten nach Fukushima neu geprüft werden, sagte Amano.

Die UN-Behörde in Wien war in die Kritik geraten, weil sie aus Sicht von Beobachtern und auch Diplomaten zu spät und zu zögerlich auf die Geschehnisse in Japan reagiert hat. Die Atomwächter waren die ersten Tage nach den Unfällen ausschließlich auf - häufig veraltete - Informationen japanischer Behörden angewiesen.

Die IAEA hat aber im Bereich der nuklearen Sicherheit aber nur wenige Kompetenzen. Die Organisation mit mehr als 150 Mitgliedsländern setzt zwar Sicherheitsstandards, deren Einhaltung und Kontrolle ist aber Sache der einzelnen Staaten. Experten darf die Atombehörde nur auf Einladung entsenden.

Autor: Ulrike Quast/ Nicole Scherschun (dpa,rtr,afp,dapd)
Redaktion: Eleonore Uhlich