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Kirgisistan ist instabil

10. Mai 2010

Die Interimsregierung will die Verfassung ändern und für Stabilität sorgen. Anna Kreikemeyer, Zentralasien-Expertin vom Hamburger Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik, bewertet die Lage in Kirgisistan.

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Portrait von Anna Kreikemeyer (Foto: Anna Kreikemeyer)
Kreikemeyer: Verfassungsänderung ist eine wichtige EntwicklungBild: Privat

DW-WORLD.DE: Kirgisistans Ex-Präsident Kurmanbek Bakijew ist über Kasachstan nach Belarus ausgereist. Hat sich die Lage im Land nun stabilisiert?

Kurmanbek Bakijew bei einer Pressekonferenz in Minsk (Foto: DW)
Kurmanbek Bakijew ehebt von Minsk aus Anspruch auf Macht in KirgisistanBild: DW

Anna Kreikemeyer: Man kann noch nicht sagen, dass in Kirgisistan sichere Stabilität gewährleistet ist. Die Situation ist nach wie vor sehr fragil. Die Entlassung und Ausreise von Ex-Präsident Bakijew über Kasachstan nach Belarus ist einigermaßen glimpflich abgelaufen. Es gibt jetzt ein Auslieferungsersuchen der kirgisischen Interimsregierung und auch das Vorhaben, Bakjiew vor Gericht zu stellen. Damit stärkt die Interimsregierung ihre Legitimität. Aber es wird aller Wahrscheinlichkeit nach nicht dazu kommen, dass der Ex-Präsident ausgeliefert wird.

Die Interimsregierung möchte die Verfassung ändern. Worum geht es ihr dabei?

Der Verfassungsentwurf der Interimsregierung ist eine wichtige Entwicklung. Er sieht eine Veränderung des politischen Systems vor: Das Parlament soll gestärkt werden, es soll ein Mehr-Parteiensystem geben und die Zusammensetzung der Zentralen Wahlkommission soll geändert werden. Mit diesen Änderungen sollen die Kompetenzen des künftigen Präsidenten verringert und das Parlaments gestärkt werden. Das Ziel ist eine parlamentarische Republik.

Aber man muss beachten, dass man noch nicht von einem Mehr-Parteiensystem im westlichen Sinne sprechen kann. Hinter den Parteien stehen immer informelle Netzwerke, Klan-Strukturen und lokale Machthaber. Das ist in Regionen wie Zentralasien nicht anders zu erwarten, es ist auch nicht weiter schlimm. Man muss das einfach realistisch betrachten. Positiv ist, dass die Parteienvertreter nicht über 50 Prozent der Sitze in einem künftigen Parlament besetzen sollen. Das verhindert, dass es sogenannte Präsidial-Parteien geben wird. Positiv ist auch, dass die Zentrale Wahlkommission nur zu einem kleineren Teil aus vom Präsidenten empfohlenen Vertretern zusammensetzen soll. Auch andere gesellschaftliche Gruppierungen sollen Vertreter in die Wahlkommission entsenden können.

Rosa Otunbajewa während einer Pressekonferenz(Foto: AP)
Rosa Otunbajewa, Chefin der Interimsregierung, muss Kirgisistan einigenBild: AP

Besteht die Gefahr, dass sich der Norden vom Süden abspaltet?

Was die Bevölkerung in Kirgsisitan anbelangt, muss man sagen, dass es immer noch eine Nord-Süd-Spaltung gibt. Die Interimsregierung sollte hier vielleicht noch einige demonstrative Schritte machen, um eine Verschärfung der Nord-Süd- und auch der Stadt-Land-Spaltung zu verhindern. Diese Nord-Süd-Spaltung wird meines Erachtens aber nicht zu einer Sezession führen.

Welche Rolle spielt Russland künftig für Kirgisistan?

Die künftige Rolle Russland gegenüber Kirgisistan ist wichtig. Es gab immer wieder auch Gerüchte, dass Russland nicht gegen die Interimsregierung war, weil Ex-Präsident Bakijew den Amerikanern einen ehemaligen Stützpunkt angeboten hatte. Die Frage ist, inwieweit Russland die Instabilität in der Region nutzt, um sich als unabweisbarer Machtfaktor in der Region geltend zu machen, und wie sich das Verhältnis zwischen der kirgisischen Interimsregierung und Russland künftig gestalten wird. Von Seiten der internationalen Gemeinschaft besteht große Aufmerksamkeit: Alle relevanten Organisationen und Mächte sind vor Ort, so dass man von einem guten Konfliktmanagement sprechen kann.


Das Gespräch führte Natalja Posdnjakowa
Redaktion: Markian Ostaptschuk/Julia Kuckelkorn