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"Land ohne Lächeln"

20. Mai 2010

Die Eskalation der Krise in Thailand durch den Einsatz der Armee in Bangkok beschäftigt an diesem Donnerstag (20.05.) die Kommentatoren der deutschen Tageszeitungen.

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Titelseiten deutscher Tageszeitungen
Bild: picture-alliance/dpa

Süddeutsche Zeitung, München: "Thailands Selbstzerstörung"

"Die seit Monaten schwelende Krise ist nach dem Sturm des Rothemden-Lagers nicht vorüber. Sie könnte jetzt erst wirklich beginnen. Noch hat die Gewalt nicht im großen Ausmaß übergegriffen auf die Provinz, noch verhält sich das Militär unentschlossen, was von seiner Zerissenheit zeugt. Dem Land fehlt eine Figur, die mit Autorität den Weg aus dem Chaos weisen könnte. Das Königshaus zeigt mit jedem weiteren Tag in der Krise sein Unvermögen. König Bhumibol hat viele Möglichkeiten, seinen Einfluss geltend zu machen. Sein Hof aber schwieg in den vergangenen Monaten, die Thronfolger sind erstarrt, die letzte Symbolfigur des Landes gibt auf, was ihr an Macht noch bleibt und lässt einen Ausblick auf das Vakuum zu, das Thailand nach dem Tod des Monarchen erfassen wird. Die Thailänder scheinen die destruktive Entwicklung aus eigener Kraft nicht aufhalten zu können. Sie brauchen Hilfe von außen. Es ist Zeit für einen Vermittler aus der Region oder von den Vereinten Nationen."

die tageszeitung, Berlin: "Land ohne Lächeln"

"Ein durch einen Militärputsch an die Macht gekommenes Regime lässt in die Menge der Regierungsgegner schießen. Es gibt über 60 Verletzte aufseiten der Demonstranten und mindestens 6 Tote, darunter der italienische Fotojournalist Fabio Polenghi. (...) Dass man auch den lächelnden Thailändern nicht einfach eine Demokratie bescheren kann, nur um sie wieder abzuschaffen, wenn sie den Falschen wählen, hätte uns klar sein müssen. So aber konnten die Anhänger Thaksins seit März zwei Monate lang für Neuwahlen demonstrieren, ohne internationale Unterstützung zu bekommen. Als die Armee dann auf sie scharf schoss, kritisierte das die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. Aber keine westliche Regierung. Nicht einmal die New York Times erklärte es mit großen Lettern zum Skandal, als ihr thailändischer Interviewpartner unter Gefährdung des eigenen Korrespondenten umgelegt wurde."

Frankfurter Allgemeine Zeitung: "Gespalten"

"Ob die thailändische Regierung und die sie tragenden Kräfte dieses "Sieges" froh werden? Seit Beginn der gegenwärtigen Protestperiode war klar, dass die Sicherheitskräfte, wenn sie nur zum Vergießen von Blut bereit wären, bald die Oberhand über die Demonstranten gewinnen würden. Gemessen an dem, was man sich an Brutalität hätte vorstellen können, ist das Vorgehen des Militärs womöglich nicht so schlimm gewesen. Aber allein dass eine Informationssperre verhängt wurde, lässt Schlimmes befürchten. Insgesamt ist die Militäraktion Symbol der Ratlosigkeit auf der Seite der Regierung, der es nicht gelungen ist, der Gegenseite eine politische Perspektive aufzuzeigen, die diese kompromissbereit gemacht hätte. Gelöst ist jedenfalls nach diesem blutigen Mittwoch nichts in Thailand. Nicht militärisch, denn es ist keineswegs gesagt, dass die Protestbewegung in der Hauptstadt ihr Ende gefunden hat. Auch ein Übergreifen der Unruhen auf andere Landesteile ist nicht auszuschließen. Politisch ist aber auch nichts gelöst, denn die Sache, deretwegen die „Rothemden“ einst ihren Protest begannen, bleibt."

Die Welt, Berlin: "Schlechte Demokraten"

"Das "Land der Freien", wie sich Thailand gern nennen lässt, hat seine Unschuld verloren. Die Menschen haben sich dazu hinreißen lassen, ihre grundsätzlich friedlich-buddhistische Weltanschauung einem nahezu anarchischen Machtkampf zu opfern, in dem sich zwei verfeindete Lager unversöhnlich gegenüberstehen: die königstreuen elitären "Gelben" und die oppositionellen ärmlichen "Roten". Beide Seiten haben sich in diesem unwürdigen Ringen, das mehrere Dutzend Todesopfer gefordert hat, diskreditiert. Es reicht eben nicht aus, den wohlklingenden Namen Demokratie wie einen Schutzschild vor sich herzutragen. Man muss Demokratie auch leben und mit Inhalt füllen. Dazu gehört, bei allen berechtigten Meinungs- und Interessendivergenzen nach friedlichem Konsens zu suchen, nach gesellschaftlicher und sozialer Gerechtigkeit. Der Ort dafür ist das Parlament, nicht die Straße. Die Mittel dafür sind Worte und Argumente, nicht Waffen und Patronen. Thailand hat sich der Demokratie als unwürdig erwiesen. (...) Neuwahlen müssen entscheiden, wer das Land stabilisieren soll. Auch nach der Aufgabe der Rebellenführer kann Thailand noch immer in einen Bürgerkrieg abgleiten. Eine Symbiose aus Vertretern beider Lager würde eine glaubwürdige Regierung bilden. Vielleicht könnte Thailand dann endlich wieder lächeln."

Financial Times Deutschland: "Spirale des Schreckens in Thailand"

"Bis zum Mittwoch war die Lage in Thailand ausgesprochen verfahren. Nun scheint sie geradezu hoffnungslos. Der Einmarsch der thailändischen Armee in die von Regierungsgegnern besetzte ,,Rote Zone" im Zentrum von Bangkok hat vor allem eins gezeigt: Die Rothemden, die seit Monaten immer gewaltsamer gegen die Regierung demonstrieren, haben keine organisierte Struktur mehr, sie folgen keiner einheitlichen Führung. Als die Regierung gegen das vermeintliche Zentrum des Aufstands in der roten Zone vorrückte, flammten im Rest der Hauptstadt und im Rest des Landes spontane Aufstände auf. Die Hoffnung der Regierung, den Aufstand mit einem vergleichsweise moderaten Einsatz der Armee und ohne großes Blutvergießen beenden zu können, dürfte damit hinfällig sein. Doch auch eine Verhandlungslösung wird schwieriger. Denn die Regierung hat nun nicht einmal mehr ein Gegenüber, mit dem sie verhandeln könnte. Niemand weiß, ob die Anführer der Rothemden überhaupt in der Lage wären, die Aufstände, die nun aufgeflammt sind, zu stoppen. (...) Thailand hat sich mit den jüngsten Ereignissen noch näher an einen Bürgerkrieg heranbewegt. Die Hoffnung sinkt, dass Regierung und Opposition ohne Unterstützung von außen eine Lösung finden. Thailands Regierung sollte ihren Widerstand gegen die Unterstützung durch ausländische Vermittler aufgeben. Sonst wird die Lage wirklich hoffnungslos."


Autorin: Esther Broders
Redaktion: Thomas Kohlmann