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Landesfürsten verhelfen Wulff zum Sprung

4. Juni 2010

Die Ministerpräsidenten Koch und Mappus haben offenbar den Niedersachsen als Präsidenten-Kandidat durchgesetzt. Er tritt gegen den Ex-Chef der Stasiunterlagen-Behörde, Gauck an, der von SPD und Grünen auserkoren wurde.

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Christian Wulff beobachtet die redende Bundeskanzlerin Angela Merkel (Foto: AP)
Die Kanzlerin und der Kandidat fürs PräsidentenamtBild: AP

Anscheinend gaben zwei Ministerpräsidenten den Ausschlag: Die CDU-Ministerpräsidenten von Baden-Württemberg und Hessen, Stefan Mappus und Roland Koch, hatten bei Kanzlerin Angela Merkel Widerspruch gegen die Nominierung von Bundesarbeitsministerin Ursula von der Leyen für das Amt des Bundespräsidenten eingelegt. Das berichten am Freitag (04.06.2010) übereinstimmend der Nachrichtensender n-tv und die "Mitteldeutsche Zeitung" unter Berufung auf führende Kreise in CDU und CSU. Dabei spielten anscheinend konservative Befindlichkeiten eine wichtige Rolle. Mappus und Koch hätten Merkel signalisiert, dass sie zwei protestantische Frauen an der Spitze des Staates nicht akzeptieren würden. Ihre Haltung, so heißt es in der Union, sei gewesen: "Das wird schwierig. Nimm den Mann!"

Zu große Nähe zur Kanzlerin als Minuspunkt

Der (Noch-)Ministerpräsident von Hessen, Roland Koch (Foto: AP)
Der (Noch-)Ministerpräsident von Hessen, Roland KochBild: AP

Auch die politische und private Nähe zur Bundeskanzlerin schien von der Leyen nach Ansicht kritischer Parteifreunde nicht dazu zu qualifizieren, deutsches Staatsoberhaupt zu werden. All dies habe den Ausschlag für den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) gegeben, hieß es weiter. Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP) hätten dagegen mit beiden Kandidaten leben können. Wenig überraschend begrüßte die FDP in der Öffentlichkeit die Entscheidung. "Christian Wulff hat einen klaren inneren Kompass und versteht es, für alle Menschen da zu sein", kommentierte Guido Westerwelle die Personalie. Wulff wisse, "welche geistige Achse unsere Republik braucht". Pikanterie am Rande: Wulff gilt als Ziehkind des ehemaligen niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht. Albrecht wiederum ist Ursula von der Leyens Vater.

Der Regierungschef von Baden-Württemberg, Stefan Mappus (Foto: dpa)
Der Regierungschef von Baden-Württemberg, Stefan MappusBild: dpa

Leise Kritik aus Bayern

Nach Ansicht von Bundesbildungsministerin Annette Schavan kann Wulff die Gesellschaft zusammenführen. "Als erfolgreicher Ministerpräsident hat er seine Kraft zur Integration bewiesen und genießt über Parteigrenzen hinweg große Wertschätzung", sagte die stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende. Kritisiert wurde die Entscheidung unionsintern nur aus Bayern: Die CSU-Familienpolitikerin Dorothee Bär bedauerte, dass nicht Ursula von der Leyen dem zurückgetretenen Horst Köhler folgen soll: "Ich hätte es als großartiges Signal empfunden, wenn die Union neben der Bundeskanzlerin auch zum ersten Mal eine Bundespräsidentin gestellt hätte."

SPD-Chef Sigmar Gabriel kritisierte die Nominierung Wulffs. "Wir haben gesagt, wir nehmen auch einen von der CDU, aber doch bitte nicht jemanden, der nur dazu dient, das parteipolitische Interesse zu befriedigen", sagte er im ZDF. Aus Gabriels Sicht hätte es durchaus Kandidaten aus dem CDU-Lager gegeben, die die SPD unterstützt hätte: "Denken sie mal an Klaus Töpfer, der international riesiges Ansehen hat und der von uns als Vorschlag ganz anders gewertet worden wäre." Und auch die Grünen poltern gegen die Personalie Wulff. Die Grünen-Parteichefs Claudia Roth und Cem Özdemir kritisierten, Wulff stehe nicht für einen Neuanfang. "Merkel hat die Chance vertan, auf die ernste Situation mit einer allseits respektierten Persönlichkeit an der Staatsspitze zu antworten."

Gauck offizieller Kandidat von SPD und Grünen

Vorstellung von Joachim Gauck als Bundespräsidenten-Kandidat in Berlin (Foto: dpa)
Kandidaten-Vorstellung von Joachim Gauck in BerlinBild: picture-alliance/dpa

Dass Wulff noch scheitern könnte, gilt trotzdem als ausgeschlossen: Die schwarz-gelbe Koalition hat in der Bundesversammlung rechnerisch eine klare Mehrheit von mindestens 21 Stimmen. Selbst der Kandidat von SPD und Grünen, Joachim Gauck, rechnet sich nur wenige Chancen bei der Wahl am 30. Juni aus. "Ich bin doch Realo, ich bin Realist", kommentierte der frühere erste Leiter der Stasiunterlagen-Behörde seine Chancen. Gleichwohl hoffen Gabriel und Özdemir auch auf Stimmen aus dem Koalitionslager für Gauck. Das machten sie bei der offiziellen Vorstellung ihres Kandidaten am Freitag in Berlin mehr als einmal deutlich.

Eine Menschenreihe, vor Schloss Bellevue in Berlin stehend (Foto: dpa)
Schloss Bellevue, der Amtssitz des BundespräsidentenBild: dpa

Ein niedersächsischer Schotte gilt als Kronprinz

Im Falle seiner Wahl ist Wulff nach seinem hessischen Kollegen Roland Koch der zweite CDU-Bundesvize, der in diesem Jahr ausfallen wird. Für Wulff muss in Niedersachsen kurzfristig ein Nachfolger gefunden werden. Der 39 Jahre alte CDU-Landes- und Fraktionschef David McAllister gilt an der Leine seit langem als "Kronprinz". Vorfreude auf einem Umzug nach Bellevue zeigte bereits Wulffs Frau Bettina: "Wir müssen sehen, was auf uns zukommt. Dann werde ich sicher meine Rolle finden", kommentierte die 36-Jährige, die die jüngste "First Lady" der Bundesrepublik wäre, den Karriereschritt ihres Mannes. Und wie will Wulff selber als potenzieller neuer Bundespräsident agieren? Wulff kündigte an, er wolle den Bundesbürgern Mut machen. "Ich denke, man kann die Menschen zusammenführen, etwas für den Zusammenhalt unserer Gesellschaft tun, Mut machen, auch Optimismus in schwierigen Zeiten machen."

Köhler wird gut zwei Wochen nach seinem sofortigen Rücktritt am 15. Juni feierlich verabschiedet. Bundesratspräsident Jens Böhrnsen, der kurzfristig die Amtsgeschäfte Köhlers übernahm, lud ihn zu einem Großen Zapfenstreich der Bundeswehr vor dem Schloss Bellevue ein. Der 67-jährige Köhler hatte am Montag völlig unerwartet das höchste Staatsamt nach sechs Jahren aufgegeben. In der Öffentlichkeit gab er als Grund die Kritik an missverständlichen Formulierungen zum Bundeswehreinsatz im Ausland an.

Autor: Marcus Bölz (afp, dpa)
Redaktion: Stephan Stickelmann

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