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'Versuch des Überlebens'

Priya Palsule-Desai27. Juni 2007

Die Städte werden laut Weltbevölkerungsbericht rasant wachsen. DW-WORLD hat mit Michael Brüntrup, Afrika-Spezialist beim Deutschen Institut für Entwicklungspolitik (DIE), über Gründe gesprochen - und mögliche Lösungen.

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Armenviertel in Kairo
Armenviertel in KairoBild: picture-alliance/dpa

DW-WORLD: Herr Brüntrup, 2008 sollen nach dem Weltbevölkerungsbericht 3,3 Milliarden Menschen - die Hälfte der Weltbevölkerung - in Städten leben. Welche Gründe gibt es beispielsweise in Afrika dafür?

Michael Brüntrup: Wirtschaft und Industrie ist in Afrika fast ausschließlich in den großen Städten angesiedelt und zwingt die Leute zur Migration. Und vor allem, weil man die Landwirtschaft in Afrika lange vernachlässigt hat. Viele Länder haben sich Netto-Exporteur zum Netto-Importeur von Nahrungsmittel gewandelt. Es ist weniger der Sog der Industrie, als vielmehr der Wille, der Hoffnungslosigkeit auf dem Land zu entrinnen.

Geht es den Menschen denn in der Stadt besser?

Es entstehen schon bessere Lebensbedingungen, die Armutsraten sind in Afrika auch in der Stadt wesentlich niedriger als auf dem Land. Doch die Leute wählen eigentlich nur das kleinere Übel.

Wieso das kleinere Übel?

Die Leute, die in die Stadt gehen, arbeiten ja nicht in einer festen Anstellung, es ist meist Schwarzarbeit ohne soziale Absicherung. Sie ziehen zu Verwandten oder in ein Viertel, in dem Leute ihrer Region leben und versuchen dann Jobs zu ergattern. Junge Männer als Hilfsarbeiter auf dem Markt oder dem Bau, Frauen als Putzhilfen oder Hotel-Zimmermädchen. Viele driften in die Kriminalität ab. Es ist eher ein Überlebensversuch.

Was muss auf dem Land verbessert werden, dass die Leute bleiben?

Die Zukunft der afrikanischen Länder liegt nicht nur in der Unterstützung des Agrarbereichs. Es muss auch ein Strukturwandel in Richtung Industrie und Dienstleistung stattfinden und man sollte vor allem so genannte Mittelzentren schaffen. Also, kleinere Städte in den Regionen wirtschaftlich stärken, damit sich der Zustrom, den wir sicher nicht stoppen können, nicht nur in die Hauptstädte verteilt.

Wie genau kann die Stärkung eines Mittelzentrums aussehen?

Dass heißt konkret, dass man Nahrungsmittel lokal anbaut und nicht importiert und vor allem auch in der Region weiterverarbeitet und veredelt werden. Das könnte eben in solchen Mittelzentren geschehen.

Der Weltbevölkerungsbericht fordert, dass Städte wegen der Zuwanderung ihre Planung verbessern müssen. Reicht das aus?

Die Städte müssen ihre Planung verbessern, um mit einem großen Menschenandrang fertig zu werden. Aber ich denke, eine wichtige Anforderung ist, dass man die ländlichen Gebiete auch attraktiver macht, um die Landflucht zu bremsen. Und über eines müssen wir uns klar sein: Man kann die Landflucht bremsen, lenken, aber auch zukünftig nicht aufhalten.