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Der Kampf um das Land in Zentralnigeria

28. Oktober 2010

Christen und Muslime kämpfen gegeneinander. So wird die Situation im nigerianischen Jos gerne vereinfacht dargestellt. Doch der Konflikt ist viel komplexer und dreht sich vor allem um eins: Wem gehört Jos wirklich?

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Farmer mit Ochsen pflügen Feld in in Nigeria (Foto: AP)
Farmer und Viehzüchter konkurrieren um den fruchtbaren Boden in ZentralnigeriaBild: AP

Eigentlich ist die Region rund um Jos gesegnet. Es ist eine grüne Gegend mit einem erfrischenden Klima. Überall an den Straßenrändern werden Kartoffeln, Tomaten und Mohrrüben aus eigenen Gärten verkauft. Auch für den Getreideanbau eignen sich die Böden im Plateau-Staat in Zentralnigeria hervorragend. Doch wem gehören die fruchtbaren Felder? "Das ist die zentrale Frage bei den sogenannten religiösen Ausschreitungen", sagt Anthony Fom, Koordinator des Komitees für Gerechtigkeit, Entwicklung und Frieden der Caritas in Nigeria. Fom befasst sich seit Jahren mit dem Konflikt und sagt überspitzt: "Es geht darum, wer Siedler und wer Einheimischer ist."

Jesusbild und Koranseite - Montage, Foto: Katrin Gänsler
Die blutigen Auseinandersetzungen haben nur am Rande mit Religion zu tunBild: Katrin Gänsler

Einheimische gegen Siedler

Zu den Einheimischen, den Indigenen, zählt Fom die ethnischen Gruppen der Berom, Afizere und Anaguta, die überwiegend Christen sind. "Für sie ist klar: Alles Land rund um Jos muss ihnen gehören." Auf der anderen Seite stehen die muslimischen Hausa-Fulani, die mitunter seit mehr als einhundert Jahren in Jos leben, aber nach wie vor als Siedler gelten.

Attraktiv wurde Jos für sie durch die Entdeckung des Zinns und durch die ersten Minen, die im Jahren 1902 gebaut wurden. Dort wollten die Einheimischen nicht schuften, weshalb Arbeitskräfte von außerhalb dringend gebraucht wurden. Nach dem Ende der Zinn-Ära blieben die Siedler trotz knapper werdender Ressourcen. Viele bauten stattdessen Geschäfte auf, kauften Farmland und erwirtschafteten gutes Einkommen - sehr zum Unmut der Einheimischen. Weiter zugespitzt hat sich die Situation nach Meinung von Anthony Fom durch politische Entscheidungen: "Jos ist geteilt worden und der Norden erhielt einen muslimischen Koordinator." Das, so Fom, hätte zu den ersten Ausschreitungen geführt, die inzwischen in regelmäßigen Abständen aufflammen und oberflächlich nach Religionskonflikten aussehen.

, Nigeria. Foto: fotografiert und aus Tomatanstand in Jos, Nigeria, Foto: Katrin Gänsler
Tomatenstand auf dem Wochenmarkt von Jos, Gemüse aus der Region wird in ganz Nigeria verkauftBild: Katrin Gänsler

Problem muss grundlegend gelöst werden

Längst nicht alle Hausa-Fulani sind in den vergangenen Jahrzehnten Geschäftsleute geworden. Traditionell gebe es nach wie vor viele Viehzüchter unter ihnen, erklärt Jaiye Doherty, Leiter des nigerianisch-deutschen Wirtschaftsverbandes. Auch deshalb gäbe es Konflikte mit den einheimischen Farmern. "Es sind verschiedene Lebensweisen. Die Hausa-Fulani ziehen mit ihrem Vieh über das bestellte Land, Äcker gehen kaputt."

Mehr Arbeits- und Einkommensmöglichkeiten für alle Gruppen zu schaffen, das ist für Doherty nicht unbedingt eine Lösung. "Arbeitsplätze sind zwar gut. Aber das grundlegende Problem muss zuerst gelöst werden." Doch daran scheint seiner Meinung nach kaum jemand interessiert zu sein. Viele Vorschläge und Überlegungen würden gleich in die Schublade wandern. "Dabei müssten alle Seiten zusammen gebracht werden, die Regierung, aber auch die traditionellen Clanchefs, die nach wie vor eine große Rolle spielen." Wichtig findet Doherty auch, dass die Siedler gleiche Rechte erhalten. Doch das könnte im Wahlkampf eine unpopuläre Forderung werden. Welcher Einheimische wählt schon einen Kandidaten, der ausgerechnet die immer stärker verhassten Siedler unterstützen will?

Christliche Kirche und Moschee in Abuja, Nigeria, Foto: Katrin Gänsler
Christen und Muslime wohnen und beten Seite an Seite in Nigeria - in der Landesmitte betrachten sie sich inzwischen gegenseitig als FeindeBild: Katrin Gänsler

Hass verhindert Frieden

Den Kampf um die wenigen Mittel und Möglichkeiten hält auch Thomas Mättig, Landesdirektor der Friedrich-Ebert-Stiftung in Nigeria, für einen zentralen Auslöser der Konflikte. "Lebensgrundlagen brechen weg. Daher identifizieren Menschen automatisch andere Gruppen, die ebenfalls um die wenigen Ressourcen kämpfen." Dass sich die Situation in absehbarer Zeit ändern wird, davon geht Mättig nicht aus. "Es ist schwierig, weil Hass und Feindschaft bei vielen sehr tief sitzen."

Autorin: Katrin Gänsler
Redaktion: Nicola Reyk