1. Zum Inhalt springen
  2. Zur Hauptnavigation springen
  3. Zu weiteren Angeboten der DW springen

Landtagswahl mit Wirkung

Kay-Alexander Scholz13. Mai 2012

Die Partei von Kanzlerin Angela Merkel musste bei den Wahlen im bevölkerungsreichsten Bundesland Nordrhein-Westfalen eine herbe Niederlage einstecken. Doch das blieb nicht die einzige Überraschung des Abends.

https://p.dw.com/p/14uiH
Nordrhein-Westfalen/ Die Spitzenkandidatin der SPD fuer die nordrhein-westfaelische Landtagswahl, Ministerpraesidentin Hannelore Kraft, steht am Sonntag (13.05.12) in einem Wahllokal in Muelheim an der Ruhr hinter einer Wahlkabine. Am Sonntag wird in Nordrhein-Westfalen ein neuer Landtag gewaehlt. Die vorgezogene Neuwahl war notwendig geworden nachdem die rot-gruene Minderheitsregierung mit ihrem Haushaltsentwurf gescheitert war und der Landtag sich daraufhin aufgeloest hatte. ( Foto: dapd)
Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen Hannelore KraftBild: dapd

Die wohl wichtigste Wahl des Jahres 2012 in Deutschland, die Wahl zum neuen Landtag des Bundeslandes Nordrhein-Westfalen (NRW), ist am Sonntag (13.05.2010) ohne einen Machtwechsel ausgegangen. Hannelore Kraft von der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands wird ihr Bündnis mit den Grünen weiterführen können. Obwohl das Ergebnis vorhersehbar war, schaute das gesamte Land inklusive dem Kanzleramt in Berlin mit besonderer Spannung auf diese Wahl.

Zunächst ist das nicht ungewöhnlich. Da in Nordrhein-Westfalen fast 18 Millionen Menschen leben und hier ein Viertel des Bruttoinlandsprodukts erwirtschaft wird, gilt eine Wahl in NRW immer auch als kleine Bundestagswahl. Außerdem kamen hier bei den Wahlen 1966, 1995 und 2005 erstmals Parteienbündnisse an die Macht, die neue Konstellationen im Bund vorwegnahmen.

Merkels Kronprinz ist großer Wahlverlierer

Nun haben die Christdemokraten (CDU) bei dieser Wahl ihr historisch schlechtestes Ergebnis erzielt. Zum elften Mal in Folge musste Angela Merkels Regierungsbündnis mit den Liberalen (FDP) im Bund damit auf Landesebene eine Niederlage hinnehmen. Das linke Lager aus Sozialdemokraten und Grünen wurde mit diesem Wahlergebnis gestärkt. Dennoch ist das nur bedingt auch ein Signal für die Machtverhältnisse im Bund. Denn Angela Merkel genießt ausgesprochen hohe Sympathiewerte bei der Bevölkerung, und ihre Partei hat in bundesweiten Meinungsumfragen einen satten Vorsprung. Dass die Regierung in Berlin nun wackelt, ist deshalb nicht anzunehmen. Ein Warnsignal ist es trotzdem, das wird auch die Kanzlerin so interpretieren, die bei den vergangenen Niederlagen immer versucht hat, sich von Wahlergebnissen auf Landesebene abzugrenzen.

Bundesumweltminister Norbert Röttgen (Foto: dapd)
Schwächung für den Bundesumweltminister Norbert RöttgenBild: dapd

Die Folgen dieser Wahl sind eher langfristiger Natur. Norbert Röttgen, der Wahlverlierer der Christdemokraten, ist auch stellvertretender CDU-Vorsitzender und Bundesumweltminister und galt als ein potenzieller Nachfolger von Angela Merkel. Um genau das vorzubereiten, hatte sich Röttgen NRW als sogenannte Hausmacht aufbauen wollen. Das ist nun gehörig schief gegangen. Röttgen legte noch am Wahlabend den CDU-Landesvorsitz nieder und kehrt nun schwer beschädigt nach Berlin zurück. Hier hat er nicht wenige innerparteiliche Feinde und Kritiker seiner Arbeit, vor allem bei der international scharf beobachteten Energiewende, bei der Röttgen bisher klare Führung vermissen ließ. Mit der vorhersehbaren Wahlniederlage in NRW ist auch der Bundespolitiker Röttgen stark geschwächt.

Neue starke Frau bei den Sozialdemokraten

Die Sozialdemokraten werden Anfang des Jahres 2013 einen Herausforderer für Angela Merkel benennen. Wahlsiegerin Hannelore Kraft, die nun eine starke Stimme in der SPD ist, will jedoch, so sagte sie es im Wahlkampf ausdrücklich, nicht Kanzlerkandidatin werden. Bisher, bei dem derzeitig schlechten Abschneiden der SPD im Bund, wäre dies auch eine Mission ohne große Erfolgsversprechen.

Wahlsiegerin Hannelore Kraft (Foto: dapd)
Freudentränen bei der Wahlsiegerin Hannelore KraftBild: dapd

Sollten sich die Umfragewerte für die Bundes-SPD aber stark verbessern, dann könnte der innerparteiliche Druck auf Hannelore Kraft wachsen. Die SPD wird derzeit von einer Troika geführt, die alle drei mit einer Kanzlerkandidatur spielen, aber im direkten Vergleich mit Angela Merkel weniger beliebt sind.

Wende bei Deutschlands Liberalen

Das Interesse an der Wahl in NRW war auch deshalb so hoch, weil die deutsche Parteienlandschaft derzeit so dynamisch ist, was sich vor allem auch bei den so genannten kleinen Parteien zeigt. Unter diesen neuen Entwicklungen haben in den letzten Jahren vor allem die deutschen Liberalen gelitten. Noch bei der Bundestagswahl 2009 hatte die FDP fast 15 Prozent der Stimmen bekommen. Seit Monaten aber dümpelte die FDP in Meinungsumfragen unter der wichtigen Fünf-Prozent-Hürde, die darüber entscheidet, ob eine Partei in das jeweilige Parlament einziehen darf. In Berlin wurden deshalb schon Witze darüber gerissen, für die FDP-Bundeszentrale werde ein Nachmieter gesucht. Und lange Zeit glaubte kaum jemand an einen Meinungsumschwung.

Die Wende kam mit der Landtagswahl vor einer Woche im Bundesland Schleswig-Holstein und wurde nun in Nordrhein-Westfalen mit einem sehr guten Ergebnis bestätigt. Dank des FDP-Spitzenkandidaten und Parteilieblings Christian Lindner, der sich erst Ende 2011 aus der Bundespolitik zurückgezogen hatte. Er ist bereits Landesvorsitzender und will auch Chef der FDP-Fraktion im Düsseldorfer Landtag werden. Lindner will liberale Traditionen vergangener Jahrzehnte wiederbeleben und seine Partei damit vom Image einer rein neoliberalen Partei befreien. Dass er aber nach Berlin wechselt und dort den unglücklich agierenden FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler ablöst, ist auf kurze Sicht nicht wahrscheinlich. Lindner hat sich bisher jedenfalls nicht für den Bund positioniert. Sollte jedoch die FDP bei der Bundestagwahl erfolgreich sein, dann könnte Lindners Rolle auch im Bund neu ausgehandelt werden.

NRW-Wahl: Warnsignal für Merkel?

Piratenpartei weiter auf Erfolgskurs

Profiteur der parteipolitischen Dynamik in Deutschland ist die Piratenpartei, die inzwischen erfolgreichste aller Piratenparteien weltweit. Die Partei schaffte nun den Einzug in das vierte Landesparlament in Deutschland. Die Piraten haben sich auf die Fahnen geschrieben, durch mehr Transparenz und mit viel Internet-Technik die Politik zu modernisieren. Damit haben sie viele Wähler für sich gewinnen können, die sie aus Protest gegen das etablierte System wählen. Die Piratenpartei gilt als kleine Volkspartei, weil sie Wähler aus allen anderen Parteien abziehen konnte.

Nun haben die Piraten gute Chancen auf weitere Wahlerfolge. Allerdings werden ihre bisherigen, teilweise schwammigen inhaltlichen Aussagen nun auch einem Praxistest unterzogen werden. Die Piraten wehren sich dagegen, einem politischen Lager zugeordnet zu werden. Die Frage ist, wie lange diese Haltung durchzuhalten sein wird. Vor allem auch, weil der neugewählte Bundesvorstand der Piratenpartei offen Sympathien für das linke Lager geäußert hat. Das könnte dann Wähler aus dem rechten Lager kosten.

Herber Rückschlag für die Post-Sozialisten

Die Linkspartei wurde in NRW aus dem Landtag gewählt und verliert damit eine starke Stützung ihrer sogenannten Westausdehnung. Die ultra-linke Partei ist die Nachfolgepartei der Sozialisten der DDR und gilt in Ostdeutschland neben CDU und SPD als dritte Volkspartei. In Westdeutschland aber schafft sie es derzeit nicht, sich zu etablieren. Damit verliert die Partei, die derzeit zudem eine Führungskrise hat, zunehmend auch ihre potenzielle Rolle als Mehrheitsbeschaffer für ein linkes Bündnis mit SPD und Grünen.

Wenn alles nach Plan läuft, dann wird es vor der nächsten Bundestagswahl noch eine Landtagswahl in Niedersachsen im Januar 2013 geben, die bundespolitische Signale senden könnte. Doch bei allen innenpolitischen Betrachtungen darf die Eurokrise nicht außer Acht gelassen werde. Sollte sich die Krise verschärfen und die Wirtschaft in Deutschland ins Schwächeln kommen, dann wird dies sicherlich auch Auswirkungen auf das Wahlverhalten der Bürger haben.