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Lasst die Mädchen unversehrt!

Susanne Poelchau6. Februar 2006

Der Tag "Null Toleranz gegenüber weiblicher Genitalverstümmelung" ist Anlass für viele Organisationen, um mit Aktionen auf diese schwere Menschenrechtsverletzung an Mädchen und Frauen aufmerksam zu machen.

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Beschneidungswerkzeug in KeniaBild: africa-photo

Die Praxis der weiblichen Beschneidung ist heute noch in 28 afrikanischen Ländern verbreitet. Trotz großer Aufklärungskampagnen hat sich die Situation in manchen dieser Staaten sogar verschlechtert: So wurde etwa im Sudan ein bestehendes Gesetz gegen die Genitalverstümmelung wieder aufgehoben, und das Thema spielt dort öffentlich keine Rolle mehr. Franziska Gruber, Referentin bei Terre Des Femmes, weiß aber auch von positiven Entwicklungen zu berichten. So sei das Land Benin, das sich im vergangenen Jahr als "frei von weiblicher Genitalverstümmelung" erklärt hat das positivste Beispiel. Eine ganze Reihe von Beschneiderinnen habe öffentlich erklärt, dass sie ihr Handwerk niederlegen. Sie hätten symbolisch ihre Messer und Beschneidungswerkzeuge abgelegt. "Ein weiteres gutes Beispiel ist Burkina Faso, wo die Regierung auch ein Gesetz erlassen hat, wo Beschneiderinnen auch immer wieder strafverfolgt wurden und wo eine öffentliche Debatte über das Thema entstanden ist", berichtet Gruber.

Menschen vor Ort tragen die Verantwortung

Burkina Faso ist eines von drei afrikanischen Ländern, in denen Terre des Femmes Projekte gegen Genitalverstümmelung unterstützt. Bei solchen Projekten ist eine der obersten Regeln, nicht von außen Aufklärungskampagnen ins Land zu tragen, sondern eng mit den Menschen vor Ort zusammenzuarbeiten und ihnen die Verantwortung zu überlassen. Als Strategie hat sich außerdem bewährt, sich an alle gesellschaftlichen Gruppen zu richten: Nicht nur an Mädchen und Frauen, sondern - ganz wichtig - auch an die Männer:

Alle Gruppen einbeziehen

Bescheidung von Mädchen in Kenia
Aufklärung über GenitalverstümmelungBild: africa-photo

Junge Männer, Väter, religiöse Würdenträger, Dorfchefs: Wenn alle diese Gruppen, Männer und Frauen, Junge und Alte über Genitalverstümmelung ins Gespräch kämen und gemeinsam erkannten, dass es eine schädliche Praxis sei und nicht nur reine Frauensache, dann erst könne Genitalverstümmelung dauerhaft abgeschafft werden, meint Gruber.

Bedrohung auch in Deutschland

Das gilt auch für Deutschland. Hier leben nach Angaben des Statistischen Bundesamts 57 Tausend Migrantinnen, die aus Ländern stammen, in denen die Genitalverstümmelung verbreitet ist. Viele dieser Frauen sind selbst betroffen, und viele haben Töchter, die wiederum gefährdet sind. So sind in Deutschland schätzungsweise 6000 Mädchen gefährdet. Das Hauptproblem besteht darin, sie und ihre Eltern überhaupt zu erreichen, unterstreicht Gruber von Terre des Femmes. Isolierte Informationskampagnen reichen nicht aus. Sie müssen eingebettet sein in umfassende Beratungsangebote für Migrantinnen. "Deswegen sind wir dafür, dass es flächendeckender Beratungsstellen gibt als bisher - das ist nur in großen Städten und vereinzelt bisher der Fall." Eine andere Möglichkeit sei, Personen die Kontakt zu Migrantinnen haben, wie zum Beispiel Ärzte und Hebammen, Mitarbeiter vom Jugendamt, von Ausländerbehörden oder Sozialarbeiterinnen, zu sensibilisieren und zu informieren, um über diese Gruppen an die Migrantinnen heranzukommen und mit ihnen über Genitalverstümmelung ins Gespräch zu kommen.

Mittlerweile gibt es immerhin schon zwei Beratungsstellen für Migrantinnen in Deutschland, die von Afrikanerinnen geleitet werden. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber eindeutig Stellung bezogen: Genitalverstümmelung stellt nach dem deutschen Strafgesetzbuch eine schwere Körperverletzung dar und ist verboten.