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Lateinamerika in zwölf Tagen

19. November 2003

Mexiko ist die erste Station der Lateinamerikareise von Bundespräsident Johannes Rau. Trotz aller Krisen gelten die aufstrebenden Volkswirtschaften der Region als Zukunftsmärkte - auch für deutsche Unternehmen.

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Reiselustig:<br>Christina und Johannes RauBild: AP

100 Millionen Einwohner und eine größere Wirtschaftsleistung als Russland oder Indien – das sind die wirtschaftlichen Eckdaten des südlichen Nachbarn der USA. Mexikos größter Vorteil, die Mitgliedschaft in der nordamerikanischen Freihandelszone "NAFTA", erwies sich in den vergangenen Jahren allerdings als riesiger Nachteil. Weil rund 90 Prozent des mexikanischen Handels mit den USA abgewickelt werden, kämpfte die mexikanische Wirtschaft gegen die aus dem Norden importierte Wachstumsschwäche.

Das mexikanische Außenhandelsvolumen ist mit 335 Milliarden US-Dollar größer als das von Brasilien und Argentinien zusammen. "Wenn man die sogenannten Maquilladoras allerdings abzieht, dann schrumpfen die Exporte um die Hälfte", gibt Peter Rösler vom Ibero-Amerika-Verein in Hamburg zu bedenken. Maquilladoras sind Fabriken, in denen etwa Vorprodukte aus Asien für den amerikanischen Markt zusammengebaut werden.

Nach den USA und Japan ist Deutschland zwar der wichtigste Handelspartner Mexikos – mit einem Anteil von rund 2,2 Prozent am gesamten Handelsvolumen spielen die Deutschen aber nur eine untergeordnete Rolle. Ganz anders in Brasilien mit Sao Paulo als größtem Standort deutscher Unternehmen außerhalb der Bundesrepublik: Von allen Industriewaren in Brasilien werden 15 Prozent in Tochterfirmen deutscher Unternehmen hergestelllt. Es gibt kaum einen anderen Auslandsmarkt, den die Deutschen so dominieren. Wenn etwa zwei Drittel aller Nutzfahrzeuge in Brasilien ein deutsches Firmenlogo auf dem Kühler haben, dann spricht das eine klare Sprache.

Mexiko: Exportweltmeister Lateinamerikas

Brasilien ist mit rund 170 Millionen Einwohnern noch immer die bedeutendste Wirtschaftsnation Lateinamerikas. Beim Vergeich mit Mexiko ziehen die Brasilianer allerdings den Kürzeren: Das mexikanische Bruttoinlandsprodukt (BIP) lag 2002 mit 640 Milliarden US-Dollar deutlich über dem Brasiliens mit 450 Milliarden. Noch deutlicher wird der Unterschied bei der durchschnittlichen Wirtschaftsleistung pro Einwohner. Das Pro-Kopf-BIP in Mexiko liegt mit 6300 US-Dollar mehr als doppelt so hoch wie das in Brasilien mit 2600 US-Dollar. Die mexikanischen Exporte sind mit 172 Millarden US-Dollar fast dreimal so hoch wie die Brasiliens mit 66 Milliarden US-Dollar und höher als aller restlichen Länder Lateinamerikas.

Auch beim regionalen Dauerthema, der Auslandsverschuldung, hat Mexiko die Nase vorn: Mit 75 Milliarden US-Dollar hat das Land seine Schulden im Griff. Ganz anders Brasilien, das mit mehr als 240 Milliarden US-Dollar im Ausland in der Kreide steht. Selbst die Inflation ist mit einer Jahresrate von vier Prozent in Mexiko kein großes Thema mehr. Brasilien stöhnt dagegen über eine Teuerungsrate von mehr als 15 Prozent.

Reformstau und Lula-Faktor

Trotzdem hat Brasilien eine Sonderstellung unter den Volkswirtschaften Lateinamerikas. "Brasilien kann so gut wie alles herstellen", erklärt Peter Rösler: "Sogar Flugzeuge werden hier produziert. Von der Struktur ist Brasilien am ehesten in Lateinamerika mit einem Industrieland zu vergleichen. Auch wenn die Landwirtschaft noch immer einen Anteil von rund 30 Prozent am BIP ausmacht, sind hier alle Industriebereiche vertreten." Besonders problematisch ist für den Lateinamerika-Experten Rösler der Reformstau in Mexiko: "Im Grunde sind alle Reformen, die Präsident Fox begonnen hat, stecken geblieben, weil er über keine eigene parlamentarische Mehrheit verfügt. Da ist die Entwicklung in Brasilien schon viel dynamischer."

Eine Einschätzung, die auch die grüne Staatsministerin im Auswärtigen Amt, Kerstin Müller, teilt, die Bundespräsident Rau nach Lateinamerika begleitet. Sie erwartet viel von Präsident Lula da Silva und seinem Reformprozess: "Wenn dieser Kurs funktioniert, dann wird es über wirtschaftlichen Handel hinaus eine sehr große politische Signalwirkung in die ganze Region haben." (tko)