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Latino Power

Kai Dreisbach13. Juni 2004

Die Latinos sind inzwischen die größte Minderheit in den USA. Und sie sind eine heiß umkämpfte Wählergruppe. Wer ins Weiße Haus einziehen will, braucht ihre Stimmen. Kai Dreisbach erklärt, warum.

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“¡Gracias por su interés en mi candidatura!” So begrüßt John Kerry im Internet seine spanischsprachigen Wähler. Die Website des demokratischen Präsidentschaftskandidaten ist zweisprachig, genau wie die seines Konkurrenten George W. Bush. Beide politischen Lager lassen spanische Wahlkampfspots produzieren, schicken ihre Kandidaten auf die Reise durch Bezirke mit Einwohnern lateinamerikanischer Herkunft und versprechen diesen eine erleichterte Einwanderungsgesetzgebung. Und das alles nur aus einem Grund - George Bush und John Kerry brauchen die Stimmen der Latinos, um das Weiße Haus zu gewinnen.

Latino-Stimmen frei verfügbar

Die Latinos haben inzwischen die Afro-Amerikaner als größte Minderheit in den USA abgelöst. Mehr als 38 Millionen von ihnen leben bereits nördlich des Rio Grande. Das sind über 13 Prozent der amerikanischen Gesamtbevölkerung - Tendenz stark steigend. In absehbarer Zeit werden sie auch die Weißen überholen und damit die Mehrheit der Bevölkerung in den USA stellen. Entsprechend wächst auch ihr politischer Einfluss. Bis vor wenigen Jahren wäre dies noch von Vorteil für die Demokraten gewesen, denn traditionell haben die Latinos meist demokratische Kandidaten unterstützt. Seit der Präsidentschaftswahl 2000 jedoch ist alles anders.

George W. Bush gewann damals knapp 35 Prozent der “Latino Vote” - mehr als jemals ein Republikaner zuvor. Entscheidend hierfür waren vor allem die konservativen Wertvorstellungen Bushs, die von vielen Latinos geteilt werden. In diesem Jahr peilt das Bush-Team sogar die 40-Prozent-Marke an. Dieses Ziel ist erreichbar, meint Angelo Falcón, Politikwissenschaftler am Puerto Rican Legal Defense and Education Fund in New York. “Die Republikaner haben in den letzten Jahren aggressiv und erfolgreich um die Latinos geworben”, erklärt er. “Das hat dazu geführt, dass die Stimmen der Latinos nun frei verfügbar sind.”

Keine homogene Gruppe

Experten verweisen allerdings darauf, dass die Latinos keinen einheitlichen Wählerblock darstellen. Etwa 67 Prozent von ihnen kommen aus Mexiko, 8,6 Prozent aus Puerto Rico, 3,6 Prozent aus Kuba und der Rest aus den anderen Ländern Mittel- und Südamerikas. Diese nationalen Gruppen trennt kulturell und sozial mindestens so viel wie sie verbindet. So hat beispielsweise die ehemalige kubanische Oberschicht, die vor Fidel Castro nach Florida floh, wenig gemein mit den mexikanischen Landarbeitern in Kalifornien.

Die Exilkubaner in Florida gelten als treueste Anhänger der Republikaner. “Die nichtkubanischen Latinos hingegen stehen mehrheitlich immer noch den Demokraten näher, vor allem im wirtschafts- und sozialpolitischen Fragen”, erklärt Louis DeSipio, Politikprofessor an der Universität von Kalifornien in Irvine. Andererseits gibt es vor allem im Südwesten eine wachsende hispanische Mittelschicht. “Und die wählt konservativer und könnte mehrheitlich für Bush stimmen”, sagt Angelo Falcón.

Der regionale Aspekt

Entscheidend wird daher sein, welche Latino-Gruppen sich zur Stimmabgabe mobilisieren lassen und welchen Einfluss sie auf den Wahlausgang in den Bundesstaaten mit hohem hispanischen Bevölkerungsanteil haben werden. In den großen Staaten ist dies weniger von Bedeutung - Kalifornien und New York gelten ohnehin als sichere Bank für Kerry, Texas wird wohl an Bush fallen. Anders hingegen sieht es in den “swing states” Arizona, Colorado, Nevada, New Mexico und Florida aus, wo der hispanische Bevölkerungsanteil zwischen 17 und 42 Prozent liegt. Besonders spannend ist die Situation dabei in New Mexico und Florida.

Der Latino-Gouverneur von New Mexiko, Bill Richardson, wird gegenwärtig als möglicher demokratischer Vizepräsidentenkandidat gehandelt. Eine Entscheidung Kerrys für ihn hätte Signalcharakter für die hispanische Bevölkerung im gesamten Südwesten und könnte die Wahlaussichten des demokratischen Bewerbers in dieser heiss umkämpften Region erheblich verbessern. Anders die Situation in Florida. Hier nutzt Gouverneur Jeb Bush seine exzellenten Kontakte zur hispanischen Bevölkerungsgruppe, um diese zur Wiederwahl seines Bruders zu mobilisieren. “Dennoch kann auch Kerry bei den Latinos in Florida noch Punkte sammeln - wenn er nur ein wenig Einsatz zeigt”, meint Louis DeSipio. Falls das Rennen zwischen Bush und Kerry also knapp wird, dann könnten die Stimmen der Latinos im Südwesten und in Florida durchaus wahlentscheidend sein. Fragt sich nur zu wessen Gunsten.