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Laufsteg war gestern

Kay-Alexander Scholz2. Juni 2003

Mode ist schnelllebig. Jede Saison gibt es neue Trends. Manches wird zum Megatrend. Zwei der Altvorderen der Branche haben jetzt die Kategorie zeitgenössische Mode definiert. Als Zeitschrift-Almanach.

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Fashion Now -<br>Mode mit AugenzwinkernBild: TASCHEN

Das Konzept einer Lifestyle-Zeitschrift ist gerade etwas mehr als zwei Jahrzehnte alt. 1980 gründete Terry Jones die Zeitschrift "i- D" und verabschiedete sich damit von der etablierten Modewelt, die er bei der "Vogue" und "Vanity Fair" vertreten hatte. "Die Idee war, Mode zu einem Spiel zu erklären, bei dem jeder mitspielen kann", erklärte Jones in einem Interview. Streetwear, also Mode von der Straße, sollte Einzug in die Welt der Modemagazine finden. Vorbilder hierfür waren der Do-it-Yourself-Geist der Punk-Bewegung und Fanzines-Communities.

Modefotografie aus dem 'Fashion Now' Taschen Buch
Modefotografie aus 'Fashion Now'Bild: TASCHEN

Es galt, Mode zu individualisieren - und dem Begriff "Mode" so einen größeren Gültigkeitsrahmen zu geben. "Mode ist nicht nur Kleidung, sondern die Kultur, die uns umgibt: Musik, Film, Literatur, Kunst und Essen – also Dinge, die unsere alltäglichen Entscheidungen beeinflussen." Die Philosophie des Lifestyle war geboren. Und "i- D", die Bejahung der Individualität, wurde zur Erfolgsgeschichte. Heute ist "i- D" die Stilfibel Großbritanniens. Fotografen wie Wolfgang Tillmanns und Juergen Teller wurden dank "i- D" berühmt und sorgten für Innovation in der Modefotografie.

Vielfalt hinter der Glasscheibe

Dieser Stil ist erwachsen geworden und hat sich etabliert. Jetzt hat "i- D" die "erste Anthologie zeitgenössischer Mode" erstellt. Auf 640 Seiten präsentieren Chefredakteur Terry Jones und Mitherausgeber Avril Mair die 150 wichtigsten Designer von heute. Die Fotos stammen aus dem hauseigenen Archiv. Was zeitgenössische Mode ausmacht, sagen also die Leute von "i- D" – und geben sich damit ganz selbstbewusst und irgendwie marktkonform. Auch die Vorstellung von Mode hat sich weiterentwickelt. "Mit der Mode können wir uns unsere Rollen aussuchen", schreibt Terry Jones im Vorwort. Doch die meisten Akteure würden sich in der Rolle des Zuschauers gefallen. "Die Mode hat das Filmgeschäft als Traumfabrik abgelöst."

Modefotografie aus dem 'Fashion Now' Taschen Buch
Modefotografie aus 'Fashion Now'

"Fashion Now" gibt einen umfangreichen Querschnitt durch die Modewelt. Dazu gehören Vertreter der High-Fashion-Szene wie Donna Karan, Karl Lagerfeld und Helmut Lang. Daneben finden sich die schon fast so berühmten Antwerpen-Six: Ann Demeulemeester, Dirk Bikkembergs, Dries Van Noten, Marina Yee, Dirk Van Saene und Walter Van Beirendonck. Seit gut zehn Jahren machen sie mit ihrem Anti-Look - grobe Stoffe, kastige Formen, ausgestülpte Nähte - international Karriere. Die ganz jungen wie Zac Posen (geboren 1980) und Bernhard Willhelm (Jahrgang 1972) repräsentieren den Trend, Mode und Kunst zum Lebensstil zu vereinen. So wird Mode in Ausstellungen zelebriert, und Modenschauen werden mit Literaturrezitationen zum Event erklärt. Natürlich darf auch Stüssy nicht fehlen - der Modemacher, der Haute Couture, Sport- und Arbeitskleidung vereint hat, und damit Streetwear zu einem gewissen Grad erst erschaffen hat.

Alle Fashion-Designer werden in kurzen Porträts (in Englisch, Deutsch und Französisch) und mit einem Fragebogen (in Englisch) porträtiert. Texte und Fotos sind so verteilt, dass das Durchblättern nicht langweilig wird.

Alles ist Mode

"Fashion Now" ist ein praktisches Nachschlagewerk, ganz systematisch nach A-Z geordnet. Die Gleichwertigkeit wird dadurch aufgebrochen, dass große Namen wie Giorgio Armani acht Seiten bekommen und viele andere nur zwei. Eine konzeptionelle Trennung nach "High" und "Off" scheint nicht mehr zeitgemäß.

Modefotografie aus dem 'Fashion Now' Taschen Buch
Modefotografie aus 'Fashion Now'Bild: TASCHEN

Die Lebensläufe der Designer zeigen, wie das Business funktioniert: Die jungen Wilden werden von der Straße oder den Universitäten weggekauft, dürfen für die großen Marken arbeiten, für Ruhm und Erfolg sorgen, um danach eine eigene Marke auf dem Markt etablieren zu dürfen.

Ein anderer Trend zeitgenössischer Mode ist die Liebe zur Sport-Bekleidung. Der japanische Designer Yohiji Yamamoto hat die Kollektion Y3 für Adidas entworfen. Der englische Modemacher Paul Smith kreiert edle Sneaker für Reebok. Was eigentlich auf dem Sportplatz oder in der Gymnastikhalle beheimatet ist, wird zum Lifestyleprodukt. Heute sehen 80 Prozent aller Turnschuhe nie eine Aschenbahn oder den Joggingpfad im Wald. Das Design der Treter ist wichtiger als die Funktion. Doch Design kostet, Turnschuhe für 150 Euro sind keine Seltenheit - sie "passen" dann aber auch besser zum teuren Anzug.

Dass Mode von heute immer stärker von der Straße inspiriert ist, zeigt auch das Erfolgsmodell Madonna: Egal ob Fetischtrend, Cowboy-Look oder Military - die Künstlerin Madonna greift Mode-Trends in ihrer Entstehungsphase auf, bringt sie auf die Bühne, lädt zum Kopieren ein, prägt so den Mainstream. Und sie wird damit immer wieder selbst zur Trend-Ikone. Auch deshalb wechselt Madonna für jedes neues Album ihre Identität wie ein Chamäleon.

Am Ende von "Fashion Now" sind die zehn Modehauptstädte der Welt aufgelistet: Antwerpen, Berlin, Düsseldorf, London, Los Angeles, Mailand, Moskau, New York, Paris und Tokio. Dank der vielen Adressen, Tipps und Hinweise für das dortige Modeleben kann man den Mode-Almanach auch als Reiseführer verwenden, obwohl er dafür eigentlich zu schwer ist.