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Politik

"Nicht für Judenverfolgung verantwortlich"

10. April 2017

Knapp zwei Wochen vor der französischen Präsidentenwahl sorgt die rechtspopulistische Bewerberin mit einer Äußerung über die Judenverfolgung während des Zweiten Weltkriegs für Streit.

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Front-National-Chefin Marine Le Pen (Foto: Reuters/S. Mahe)
Bild: Reuters/S. Mahe

Mit der Leugnung einer Mitverantwortung Frankreichs an der Festnahme und Deportation tausender Juden zur NS-Zeit hat die Rechtspopulistin Marine Le Pen für Empörung gesorgt. Die französische Präsidentschaftskandidatin sagte mehreren Medien, Frankreich sei "nicht verantwortlich" für die unter dem Namen "Rafle du Vel d'Hiv" bekannte Massenfestnahme von Juden im Jahr 1942. "Wenn es Verantwortliche gab, dann waren es die, die damals an der Macht waren, es ist nicht Frankreich", sagte Le Pen - ein Verweis auf das während des Zweiten Weltkriegs mit Nazi-Deutschland kollaborierende Vichy-Regime. Französischen Kindern werde beigebracht, sich nur noch an die "dunkelsten Aspekte" der Geschichte des Landes zu erinnern, sagte die Front-National-Chefin. "Ich will, dass sie wieder stolz sind, Franzosen zu sein."

Französische Polizisten hatten im Juli 1942 etwa 13.000 Juden im ehemaligen Pariser Radrennstadion Vel d'Hiv zusammengetrieben, darunter mehr als 4000 Kinder. Paris war damals von deutschen Truppen besetzt. Fast alle der anschließend deportierten Juden wurden in den NS-Vernichtungslagern ermordet.

"Das Vichy-Regime war nicht Frankreich"

Erst 1995 bekannte sich der damalige konservative Präsident Jacques Chirac zu der "unauslöschlichen Schuld" Frankreichs gegenüber den Opfern. "Franzosen und der französische Staat" hätten den "verbrecherischen Wahnsinn der Besatzer" unterstützt. Chiracs Vorgänger Charles de Gaulle und François Mitterrand hatten ein solches Eingeständnis stets abgelehnt. Sie argumentierten, dass das Vichy-Regime nicht Frankreich repräsentiert habe. An die Haltung der beiden früheren Präsidenten erinnerte auch Marine Le Pen und erklärte in einer Stellungnahme: "Das Vichy-Regime war nicht Frankreich." Es sei vielmehr "illegal" gewesen.

Ausländische Juden im Mai 1941 vor ihrer Deportation nach Auschwitz auf dem Bahnsteig von Pithiviers südlich von Paris (Foto: picture-alliance/dpa)
Juden vor ihrer Deportation nach Auschwitz auf dem Bahnsteig von Pithiviers südlich von ParisBild: picture-alliance/dpa

Der jüdische Dachverband Crif warf Le Pen "revisionistische Äußerungen" und eine "Beleidigung Frankreichs" vor. Der parteilose Präsidentschaftskandidat Emmanuel Macron sprach von einem "schwerwiegenden Fehler" der FN-Chefin. Der konservative Politiker Christian Estrosi schrieb auf dem Kurzbotschaftendienst Twitter, die 48-Jährige nehme wie ihr Vater Jean-Marie Le Pen Platz auf der "Bank der Schändlichkeit und der Leugnung" des Holocaust. Dieser hatte mehrfach mit verharmlosenden Äußerungen zum Nationalsozialismus und Holocaust für Schlagzeilen gesorgt. So bezeichnete er die Gaskammern der NS-Konzentrationslager als "Detail" der Geschichte des Zweiten Weltkriegs.

Auch die israelische Regierung verurteilte Le Pens Äußerungen. Diese würden der "historischen Wahrheit" widersprechen, erklärte das Außenministerium.

Offizielle Schlussphase des Wahlkampfes

Unterdessen begann die offizielle Schlussphase des Wahlkampfs. Dies bedeutet, dass der Rundfunkaufseher CSA die Redezeiten der Kandidaten in Radio und Fernsehen besonders genau kontrolliert. Den Anwärtern müssen - unabhängig von ihrem politischen Gewicht - die gleichen Redezeiten gewährt werden. Die Regeln sind laut Tageszeitung "Le Monde" in Frankreich besonders strikt.

Die Franzosen wählen am 23. April den Nachfolger von Staatschef François Hollande, der nicht mehr antritt. In der entscheidenden Stichwahl am 7. Mai dürften sich laut Prognosen Le Pen und Macron gegenüberstehen. Ihnen werden in der ersten Runde jeweils knapp 25 Prozent der Stimmen zugetraut. Der Linkspolitiker Jean-Luc Mélenchon könnte laut einer Befragung für die Zeitung "Le Figaro" und andere Medien auf 18 Prozent der Stimmen kommen. Er würde damit besser abschneiden als der konservative Bewerber François Fillon, der von einer Affäre um Scheinbeschäftigung von Familienangehörigen belastet wird.

sti/hf (dpa, afp)