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"Leben und Tod sind universelle Themen"

Oliver Schilling
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Will auf Fußballtrikots für Aids-<br>Aufklärung werben: Oliviero ToscaniBild: AP

Herr Toscani, wie kann die Öffentlichkeit für Aids und HIV wieder sensibilisiert werden?

Kommunikationsarbeit im weitesten Sinn ist der Schlüssel zu erfolgreicher Aufklärungsarbeit. Das Problem ist, dass niemand über das Thema heutzutage noch sprechen will. Es mag komisch klingen, aber in der Tat ist Aids heutzutage kein Modethema mehr. Medien und die Privatwirtschaft interessieren sich nicht mehr dafür, denn es lässt sich mit Aids kein Geld machen. Aids verkauft sich schlicht nicht, obwohl ich der festen Überzeugung bin, dass Aids mit Konsum und Mode in Verbindung gebracht werden kann. Konsum bestimmt das Interesse und Verhalten der Menschen. Das sollten wir uns zunutze machen.

War denn Aids irgendwann schon einmal ein 'Modethema'?

Es hat zumindest früher mehr Menschen interessiert, denn man war sich darüber im klaren, dass Aids eine todbringende Krankheit ist. Heutzutage glauben das viele Menschen nicht mehr.

Was könnte man tun, um dem Mythos der Heilbarkeit von Aids entgegenzuwirken?

Das ist in der Tat schwierig, denn hierzu bräuchten wir gute Kampagnen und diese sind sehr teuer und schwer finanzierbar. Ich habe damals mit Benetton Aids nur deshalb zum Modethema machen können, da Benetton aus Aids für sich Profit schlagen konnte. Hätte Benetton keinen eigenen Nutzen aus der Kampagne gezogen, wäre sie nicht zustande gekommen.

Sie haben damals mit Fotos schwerkranker Aidspatienten Werbung für Kleidung gemacht. Wären solche Aktionen auch heute noch angebracht, um Aufmerksamkeit zu erregen?

Solche Kampagnen sind sicherlich auch heute noch wirksam. Wir müssen uns immer wieder vor Augen halten, dass viele Menschen – vor allem junge Leute – nicht wissen, wie die Realität aussieht und leider zeigen wir ihnen die Realität nicht wie sie ist. Zu dieser Realität gehören eben auch HIV und Aids. Trotzdem verbergen viele mit dem HIV-Virus Infizierte ihre Krankheit und es gibt viele Familien, die Angehörige mit Aids verstecken. Nicht jeder Betroffene hat den Mut zuzugeben, dass er Aids hat.

Ist Provokation ein probates Mittel, um Aids und HIV wieder ins öffentliche Bewusstsein zu bringen?

Ja. Provokation erregt Neugier und Aufmerksamkeit und die erzeugen wiederum Interesse – auch in der Privatwirtschaft.

Was raten Sie nicht-kommerziellen Organisationen, wie können diese mit kleinen Budgets Aufklärungsarbeit leisten?

Aus meiner persönlichen Erfahrung muss ich sagen, dass die wenigsten Menschen in Nicht-Regierungs-Organisationen Mut und Ideen haben. Ich bin regelrecht schockiert darüber, wie wenig Arbeit den betroffenen Menschen letztendlich zugute kommt.

Halten Sie globale Kampagnen für sinnvoll, oder müsste man für verschiedene Regionen unterschiedliche Strategien entwickeln?

Ich habe globale Kampagnen gemacht, und jeder hat sie verstanden. Es geht bei Aids und HIV um grundlegende Themen, die Menschen überall in der Welt beschäftigen. Leben und Tod sind universelle Themen.

Wie könnten Menschen in abgelegenen oder armen Regionen erreicht werden? Kommunikation über Konsum ist natürlich nur möglich, wenn Menschen an ihm teilnehmen, einkaufen und Werbung sehen. In ärmeren Regionen könnte das schwierig sein ...

Es ist alles eine Frage des Willens. Nehmen wir das Beispiel der letzten Fußball-Weltmeisterschaft. Wenn das deutsche Team auf seinen Trikots auf Aids aufmerksam gemacht hätte, so hätten dies viele Menschen wahrgenommen. Leider läuft das meiste in der Werbung heute falsch. Sex ist überall zu sehen und wird glorifiziert, ohne dass auf Risiken hingewiesen wird.