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Das Soloalbum des Seeed-Sängers Frank Dellé

24. August 2009

Mit seinem Soloalbum "Stadtaffe" feierte Peter Fox, Sänger der Berliner Band Seeed große Erfolge. Jetzt versucht es ihm sein Bandkollege Frank Dellé gleichzutun.

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Cover des Albums von Dellé Before I Grow Old (Quelle: Downbeat)
Cover des Albums von Dellé Before I Grow OldBild: Downbeat (Warner)

Die Band Seeed macht weiter Pause. Dank der anhaltenden Popularität der elfköpfigen Berliner Dancehall-Kombo hätte Dellé, der bei Seeed unter dem Pseudonym Eased das Mikrofon schwingt, auch weiter Dauerurlaub machen können. In dieser Luxussituation ist sein Soloalbum entstanden, frei nach dem Motto: Just do it. Während Peter Fox sich unlängst mit seiner ästhetischen Vision von einem Filmorchester mit knackigen Beats weit von den Seeed-Wurzeln entfernt hatte, dockt Frank Dellé in unmittelbarer Nähe des Mutterschiffs an. Auf deutsche Texte wird verzichtet, Dellé singt in ghanesischem Englisch und hat in Kooperation mit seinem Produzenten Guido ein chartskompatibles Album realisiert, das vor positiven Vibes nur so strotzt – und sich in Ermangelung eines passenderen Stempels ganz unabwertend als Pop Reggae bezeichnen lassen muss. Da wundert es kaum, dass Dellé auf seinem Album auch mit einer Cover-Version eines der schönsten, eindringlichsten Popsongs der 80er Jahre aufwartet: "Power Of Love" von Frankie Goes To Hollywood.

Melancholisches Feuer

Seed auf der Bühne (Quelle dpa)
Die Band Seeed pausiert nach wie vorBild: picture-alliance/ ZB

Dellés Interpretation von "Power Of Love" ist vor allem deshalb so überzeugend, weil es ihm gelingt, das melancholische Feuer des Originals zu retten. Ganz schnell hätte dies ein fröhlich-banaler Reggae-Schlager werden können; so aber scheint die überirdische Dimension des Songs auf, die weit über geschlechtliche Liebe hinausweist. Dennoch wird das Stück unter Reggae-Puristen Verwirrung stiften. Aber die zählen anscheinend nicht zwingend zur Zielgruppe des Seeed-Sängers. Dellés Sound klingt nämlich so, als wolle er vor allem Hörer ansprechen, die eine ähnliche musikalische Sozialisation durchlaufen haben wie er selbst und sich deshalb musikalische Offenheit bewahrt haben. In seiner Jugend ist Dellé nämlich nicht nur von Bob Marley und Reggae-Rhythmen geprägt worden, sondern auch von unwiderstehlichen Popmelodien, HipHop Styles und gefühligen Balladen. Und das kommt auf "Before I Grow Old" zum Tragen.

Optimistische Grundstimmung

In Dellés Gesang schlagen alte Roots- und Soul-Wurzeln durch. Und wenn es darauf ankommt, kann er auch mal den Bob Marley geben. Abgerundet wird seine voluminöse Stimme von weiblichen Background Vocals, wie sie im Soul perfektioniert wurden. Hier klingen sie allerdings eher nach Mainstream. In Richtung Mainstream deuten auch Dellés relativ schwerelose Texte, die hauptsächlich von Spaß, Glück und erfüllter Liebe handeln. In jamaikanischem Reggae wäre sowas eher ein Ausnahmefall, aber selbst von deutschen Produktionen ist man mehr Realismus gewöhnt. Dellé ist jedenfalls alles andere als ein "Bad Vibes Champion", wie eines seiner Stücke heißt, und man fragt sich: Woher nimmt der Sänger in düsteren Zeiten so viel Lebensfreude und Optimismus?

Die eigene Geschichte

(Quelle: Hurricane/Southside)
Seed-Sänger Dellé auf Pop-Reggae-MissionBild: Hurricane/Markus Roy

"Was die Themen angeht, habe ich mir ziemlich viel Gedanken gemacht. Ich dachte, eigentlich braucht man ja eine Edge oder krasse Geschichte. Was mich damals fasziniert hat an Bob Marley war, dass er seine Geschichte über dieses Vehikel Roots Reggae transportieren konnte. Aber es ist definitiv nicht meine Geschichte. Ich komme aus einem guten Elternhaus, ich bin nie unterdrückt worden, ich bin in Ghana und in Deutschland groß geworden. Und all diese Einflüsse kommen auch in mein Leben, und das ist eigentlich in seiner Grundaussage: Genieße das Leben, weil es so schön ist. So habe ich das erfahren." Eine Aussage, die bei einem afro-deutschen Musiker erst mal verwundern mag – erwartet man hier doch eher die Thematisierung von Unterdrückung oder Rassismus. Dass dies für Dellé kein Anliegen ist, mag ein Ausnahmefall sein. Aber es zeigt vielleicht auch, dass Diskriminierung auf Grund von Hautfarbe oder Herkunft im urbanen Milieu längst keine Chance mehr haben.

Autor: Olaf Karnik

Redaktion: Matthias Klaus